Table Of ContentLEHR-UND HANDBÜCHER
DER INGENIEURWISSENSCHAFTEN
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BAUSTATIK
BAND II
VORLESUNGEN ÜBER
BAUSTATIK
ZWEITER BAND
Statisch unbestimmte Systeme
VON
Dr. sc. techn. FRITZ STÜSSI
o. Professor für Baustatik, Hoch· und Brückenbau in Stahl und Holz
an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
Springer Basel AG
1954
Nachdruck verboten. Alle Rechte, insbesondere
das der Übersetzung in fremde Sprachen und der Reproduktion
auf photostatischem Wege oder durch Mikrofilm vorbehalten
ISBN 978-3-0348-4032-3 ISBN 978-3-0348-4103-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-4103-0
Copyright 1954 by Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Verlag Birkhäuser AG., Basell954.
Softcoverreprint ofthe bardeover 1st edition 1954
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VORWORT
Im Vorwort zum ersten Band dieser Vorlesungen über Baustatik hatte ich
den ursprünglichen Plan des gemeinsam von Prof. Dr. MAx RITTER und mir
zu verfassenden Werkes skizziert. Zumgrossen Bedauern der Fachwelt ist mein
verehrter Kollege MAx RITTER an dem Tage (25. Februar 1946) gestorben, an
dem er mit der Niederschrift seiner ((Baustatik II» zu beginnen beabsichtigt
hatte. Vorbereitende Notizen (ausser seinen Vorlesungsnotizen) hat er nicht
hinterlassen; wir wissen nur, dass er unter anderem beabsichtigte, eine zusam
menfassende Darstellung jener besonderen Berechnungsmethoden des durch
laufenden Balkens und des eingespannten Bogens zu geben, die er selber, aus
gehend vom elastisch eingespannten Stab, entwickelt und mit vollendeter Mei
sterschaft gehandhabt hat.
Nach dem Tode von Prof. MAx RITTER lag es nahe, seinen Nachfolger auf
dem Lehrstuhl für Baustatik und Massivbau an der Eidgenössischen Techni
schen Hochschule, Prof. Dr. P. LARDY, zu bitten, die ((Baustatik II» zu schrei
ben, deren Stoff er ja auch den Studierenden des vierten Semesters der Abtei
lung für Bauingenieurwesen vorzutragen hat. Trotz anfänglicher grundsätz
licher Zustimmung hat Prof. P. LARDY nach reiflicher Überlegung leider auf
die Durchführung dieses Planes verzichtet, weil ihn seine starke berufliche
Inanspruchnahme die dafür notwendige Zeit nicht finden liess.
So musste ich mich denn, um den ersten Band nicht einen Torso bleiben zu
lassen, in vollem Einvernehmen mit Prof. LARDY, selber entschliessen, diesen
zweiten Band über einen Stoff, von dem ich nur einzelne Anwendungsfälle in
den Vorlesungen über Stahlbau und Holzbau behandle, zu bearbeiten. Es han
delt sich bei den vorliegenden Vorlesungen über Baustatik II somit grössten
teils um nicht gehaltene Vorlesungen, und es ist ein Nachteil der nun vor
liegenden Lösung, dass mir in diesem Stoffgebiet die eigentliche Lehrerfahrung,
die sich aus der mehrmaligen Bearbeitung des Stoffes für periodisch wieder
kehrende Vorlesungen ergeben würde, fehlt. Auch habe ich mich nicht für
berechtigt gehalten, die Vorlesungsnotizen von Prof. MAx RITTER zur Aus
arbeitung des vorliegenden Bandes zu benützen, vor allem, weil mir die eigene
praktische Erfahrung in der Handhabung der von ihm ausgebauten besonderen
Methoden fehlt.
BeiderAusarbeitung der ((Baustatik II» bin ich von den klassischen Grund
lagen ausgegangen (Abschnitte I und II) und habe zu zeigen versucht, dass
diese klassischen Grundlagen zu einfachen und leistungsfähigen Methoden der
Berechnung statisch unbestimmter Tragsysteme führen. Bei den Anwendungen
6 Vorwort
(Abschnitte III bis VII) habe ich keine Vollständigkeit, weder in bezug auf
Bauformen noch auf Rechnungsmethoden, angestrebt; dagegen versuchte ich,
die grosse Mannigfaltigkeit der Lösungsmöglichkeiten, die bei statisch unbe
stimmten Systemen vorhanden ist, an Hand der gewählten Anwendungsformen
aufzuzeigen. Auch zwang mich der Wunsch, den Umfang des Buches in ver
nünftigen und wirtschaftlich tragbaren Grenzen zu halten, zu einer starken
Beschränkung des Stoffes. Dagegen ist beabsichtigt, gelegentlich in einem
dritten, abschliessenden Band (Ausgewählte Kapitel der Ba~tstatik) einige not
wendige und wünschenswerte Ergänzungen zu behandeln 1).
Bei der Ausarbeitung dieses Bandes unterstützten mich meine Assistenten
Dipl.-Ing. H. WANZENRIED durch die Anfertigung der Vorlagen für die Abbil
dungen und Dipl.-Ing. P. STEBLER durch die Korrektur der Druckbogen.
Zürich, Januar 1953 F. Stüssi
1) Ein solcher Band erscheint im ] ahre 1954 in portugiesischer Sprache unter dem Tit el Contri
buifÖes para a teoria e o cdlculo das estruturas, herausgegeben von der Escola Politecnica da Uni·
versidade de Säo Paulo (Brasil).
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INHALTSVERZEICHNIS
I. Die elastischen Formänderungen in der Ebene 11
1. Grundlagen und Voraussetzungen 11
a) Allgemeines . . . . . . . . 11
b) Das Hookesche Gesetz . . . . 12
c) Der ebene Formänderungszustand. 13
d) Die ebene Formänderung von Stabelementen 16
2. Die virtuelle Arbeit 18
a) Fachwerkträger . 18
b) Vollwandträger . 19
c) Anwendung auf starre Systeme 21
d) Elastische Formänderungen 22
e) Formänderungen irrfolge Temperaturänderungen 35
3. Biegungslinien. . . . . . . . . . 37
a) Die Biegungslinie als Seilpolygon 37
b) Vollwandträger . . . . . . . . 39
c) Fachwerkträger . . . . . . . . 46
d) Beziehungen zwischen lotrechter und waagrechter Biegungslinie
eines Stabzuges . . . . . . . . . . 49
4. Die Gegenseitigkeit der Verschiebungen. 50
a) Das Reziprozitätsgesetz von E. Betti 50
b) Der Satz von Maxwell-Mohr . 51
c) Biegungslinie und Einflusslinie 53
5. Die Elastizitätsellipse. . . . . . 58
II. Die Berechnung statisch unbestimmter Systeme 63
1. Die Kraftmethode . . . . . . . . . . . 63
a) Statisch bestimmte und statisch unbestimmte Systeme. 63
b) Grundsystem und überzählige Grössen . 65
c) Die Elastizitätsgleichungen . . . . . . . . . 69
d) Gruppen von überzähligen Grössen . . . . . 73
e) Zur Bemessung statisch unbestimmter Systeme 77
2. Die Auflösung der Elastizitätsgleichungen . 82
a) Der Gaußsehe Algorithmus . . . . . 82
b) Statisch unbestimmte Grundsysteme 91
c) Auflösung durch Iteration . . . . . 99
8 Inhaltsverzeichnis
3. Die Deformationsmethode. . . . . . . . . . . . 101
a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 101
b) Die Grundgleichungen der Deformationsmethode lOS
c) Tragsysteme mit unverschieblichen Knoten. 109
d) Tragsysteme mit verschiebliehen Knoten . 115
e) Das Verfahren von H. Cross . . . . . . 119
4. Formänderungen und Einflusslinien statisch unbestimmter Trag-
systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
a) Die Arbeitsgleichung bei statisch unbestimmten Systemen 122
b) Einflusslinien statisch unbestimmter Systeme . . . . . . 124
III. Vollwandige durchlaufende Balken. . . . . . 130
1. Der durchlaufende Balken auf gelenkigen, lotrecht unverschieb-
lichen Stützen . . . . . . . . . . . 130
a) Die Clapeyronschen Dreimomentengleichungen . 130
b) Belastung eines Einzelfeldes, Festpunktmethode. 142
c) Einflusslinien . . . . . . . . . . . . . . . 150
d) Stützensenkungen und Temperaturänderungen 155
2. Der durchlaufende Balken auf elastisch senkbaren Stützen 157
a) Die Fünfmomentengleichungen 157
b) Einflusslinien . 164
c) Lange Balken. . . . . . . . 168
3. Der durchlaufende Balken auf elastisch drehbaren Stützen 172
a) Grundsystem und Elastizitätsgleichungen. . . . . . 172
b) Der Sonderfall mit lotrecht unverschieblichen Stützen 174
c) Rahmenartige Tragwerke. . . . . . . . . . . . . 182
d) Der Sonderfall mit drehbaren und senkbaren Stützen 189
e) Allgemeiner Fall . . . . . . . . . . . . . . . . 190
IV. Vollwandige Bogenträger . 194
1. Der Zweigelenkbogen. 194
a) Ständige Last. . . 194
b) Einflusslinien . . . 202
c) Temperaturänderungen und Auflagerverschiebungen . 207
d) Der Zweigelenkbogen mit Zugband 208
2. Der Eingelenkbogen . . 209
3. Der eingespannte Bogen 215
a) Der unsymmetrische Bogen. 215
b) Der symmetrische Bogen. . 219
c) Vergleich der verschiedenen Bogensysteme 222
4. Bogen mit Aufbau . . . . . . . . . . . . 224
5. Der Formänderungseinfluss bei Bogenträgern 231
Inhaltsverzeichnis 9
V. Rahmensysteme. . . . . 241
1. Der geschlossene Portalrahmen 241
2. Der Vierendeel-Träger . . . 244
a) Das Grundsystem . . . . 244
b) Die überzähligen Grössen. 247
c) Der Sonderfall s~ = s~ . . 250
3. Der Stockwerkrahmen . . . 254
a) Der zweistielige, symmetrische Stockwerkrahmen 255
b) Der mehrstielige Stockwerkrahmen . . . . . . 258
VI. Verstärkte Balken. . . . . 266
1. Der versteifte Stabbogen 266
a) Der «echten versteifte Stabbogen 266
b) Der Langersehe Balken 269
c) Hänge- und Sprengwerke. 271
2. Die verankerte Hängebrücke 273
a) Grundgleichungen . . . . 273
b) Die Elastizitätsbedingung 277
c) Biegungslinien . . . . . 282
d) Einflusslinien . . . . . . 284
e) Nebeneinflüsse und besondere Bauformen 289
f) Winddruck auf Hängebrücken . . . . . 290
VII. Statisch unbestimmte Fachwerke . . . 292
1. Fachwerke mit gelenkigen Knoten 292
a) Allgemeines . . . . . . . . 292
b) Durchlaufende Fachwerkbalken . 296
c) Fachwerkbogen . . . . . . . . 299
d) Fachwerkbalken mit doppeltem Strebenzug. 302
e) Statisch unbestimmte Raumfachwerke . 305
2. Nebenspannungen . . . . . . . . . . . 308
a) Fachwerke mit unverschieblichen Knoten 30S
b) Fachwerke mit verschiebliehen Knoten. . 311
11
I
Die elastischen Formänderungen in der Ebene
1. Grundla~en und Voraussetzun~en
a) Allgemeines
Die Kenntnis der Formänderungen bildet die Grundlage zur Berechnung
statisch unbestimmter Tragsysteme, deren Kräftespiel nicht mehr durch Gleich
gewichtsbedingungen allein bestimmbar ist wie bei statisch bestimmten Syste
men. Es sollen deshalb zunächst die in der «Baustatik ln1) abgeleiteten Bezie
hungen über elastische Formänderungen und ihre Voraussetzungen zusammen
gestellt und ergänzt werden, um so einen Überblick über die Grundlagen der
Berechnung von Formänderungen ebener Tragwerke zu gewinnen.
Die normale Baustatik der Konstruktionspraxis beschäftigt sich fast aus
schliesslich mit ebenen Tragwerken. Es ist deshalb wohl gerechtfertigt, wenn
wir uns hier in der Hauptsache auf diese beschränken; für die Berechnung
räumlicher statisch unbestimmter Tragwerke enthält der Abschnitt über Fach
werke ein wegleitendes Beispiel.
Die normale Theorie statisch unbestimmter Tragwerke setzt die Gültigkeit
des Superpositionsgesetzes voraus, wobei die in einem Tragwerk auftretenden
Schnittkräfte, Beanspruchungen und Formänderungen proportional zu den Be
lastungen, das heisst lineare Funktionen der Belastungen sein müssen. Die
Gültigkeit des Superpositionsgesetzes beruht im wesentlichen aufzwei Voraus
setzungen, die damit selber zu grundlegenden Voraussetzungen der normalen
Baustatik werden: erstens setzen wir voraus, dass die zu untersuchenden Be
lastungszustände nur Materialbeanspruchungen innerhalb des elastischen Be
reiches verursachen, dass also das H ookesche Gesetz gültig sein soll, und zweitens
müssen wir annehmen, dass das zu untersuchende Tragwerk von Art und Grösse
der Belastung unabhängig sein soll, so dass wir also die äusseren Kräfte am
unverformt gedachten Tragwerk wirkend annehmen dürfen.
Die elastischen Formänderungen dürfen normalerweise als klein voraus
gesetzt werden; dies bedeutet rechnerisch, dass eine Längenänderung Lls gegen
über der Länge s des betrachteten Bauelementes als vernachlässigbar klein
1) «Baustatik I» bedeutet hier stets den I. Band dieses Werkes. Sein Inhalt wird als bekannt
vorausgesetzt. Hinweise auf Gleichungen dieses I. Bandes werden in der Form «Gleichung (I, 117) •
gegeben.