Table Of ContentSAMMLUNG METZLER
M 1 Raabe Einführung in die Bücherkunde
M 4 Grimm Bertolt Brecht
M 5 Moser Annalen der deutschen Sprache
M 6 Schlawe Literarische Zeitschriften 1885-1910
M 7 Weber / Hoffmann Nibelungenlied
M 8 Meyer Eduard Mörike
M 9 Rosenfeld Legende
M 10 Singer Der galante Roman
M 12 Nagel Meistersang
M 13 Bangen Die schriftliche Form germanist. Arbeiten
M 14 Eis Mittelalterliche Fachliteratur
M 15 Weber / Hoffmann Gottfried flon Straßburg
M 16 Lüthi Märchen
M 17 Wapnewski Hartmann flon Aue
M 18 Meetz Friedrich Hebbel
M 19 Schröder Spielmannsepik
M 20 R yan Friedrich H ölderlin
M 22 Danzel Zur Literatur und Philosophie ,ur Goethezeit
M 24 Schlawe Literarische Zeitschriften 1910-1933
M 25 Anger Literarisches Rokoko
M 26 Wodtke Gottfried Benn
M 27 von Wiese N OfJelle
M 28 Frenzel Stoff-, Motifl-und Symbolforschung
M 29 Rotermund Christian Hofmann flon HofmannswaldAa
M 30 Galley Heinrich H eine
M 31 Müller Franz Grillparzer
M 32 Wisniewski Kudrun
M 33 Soeteman Deutsche geistliche Dichtung des 11. u. t2.jh.s
M 34 Taylor Melodien ,us Mittelalters I: Darstellung
M 35 Taylor Melodien des Mittelalters I1: Materialien
M 36 Bumke Wolfram flon Eschenbach
M 37 Engel Handlung, Gespräch 11. Erzählung. Faksimikdrucla
M 38 Brogsitter Artusepik
M 40 Halbach Walther flan der Vogelweide
M 41 Hermand Literatllrwissenschaft und Kunstwissenschaft
M 43 Glinz Delltsche Syntax
M 44 Nagel Hrotwit flan Gandersheim
M 45 Lipsius Von der Bestendigkeit. Faksimiledruck
M 46 Hecht Christian Reuter
M 47 Steinmetz Die Komödie der Aufklärung
M 48 Stutz Gotische Literaturdenkmäler
M 49 Salzmann Kurze Abhandlungen. Faksimiledruck
M 50 Koopmann Friedrich Schiller I: 1759-1794
M 51 Koopmann Friedrich Schiller I1: 1794-1805
M 52 Suppan Volkslied
M 53 Hain Rätsel
M 54 Huet Traite de I'origine des romans. Faksimiledruck
REAliEN ZUR liTERATUR
ABT. B:
METHODENLEHRE
PETER V. ZIMA
Textsoziologie
Eine kritische Einführung
MCMLXXX
J. B. METZLERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
STUITGART
Für Erich Köhler
A Oliver Revault d'A llonnes
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Zima, Peter v.:
Textsoziologie: e. krit. Einf. / Peter V. Zima.
Stuttgart: Metzler, 1980.
(Sammlunß Metzler; M 190: Abt. B, Methodenlehre)
ISBN 978-3-476-10190-7
ISBN 978-3-476-10190-7
ISBN 978-3-476-03895-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-476-03895-1
M 190
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 1980
Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung
und earl Ernst Poesehel Verlag GmbH in Stuttgart 1980
INHALTSVERZEICHNIS
TEXT UND KONTEXT. PROGRAMMATISCHE BEMERKUNGEN
1. "Literatursoziologie« . 1
2. Kritik des Metatextes 2
3. Exkurs zu Bachtin . 3
4. Rationalismus . 4
5. Diskurskritik 6
6. Fiktionalität 11
7. Ambivalenz 16
1. DER »WERTFREIE« DISKURS DER EMPIRISCHEN LITERATUR-
SOZIOLOGIE • • • 20
1. Definition des Objektbereichs . . 20
2. Zwei Ideologeme . . . . . . . 23
3. Wertfreiheit: Theorie und Praxis 26
4. Wertfreiheit und Vermittlung durch den Tauschwert 31
5. Zweck rational ismus vs. Wertrationalität . 34
11. DIALEKTISCHE THEORIEN UND TEXTSOZIOLOGIE 39
1. Hegels Erbe. . . . . . . . 39
2. Lukacs' Dialektik zwischen Wesen und Erscheinung:
Totalität und Typus . . . . . . . . . . . . . . .. 42
3. Weltanschauung und Totalität bei Lucien Goldmann .. 46
4. Von Althusser zu Macheray: Kritik der Hegeischen
Teleologie . . . . . . . . . . . . . . 49
5. Entwürfe einer Textsoziologie . . . . . . 52
(a) Gattungssystem und narrative Syntax. 53
(b) Semantische Strukturen . . . . 57
(c) Der Doppelcharakter des Textes 60
111. GESELLSCHAFT ALS TEXT. • • • • • • 66
1. Die sozio-linguistische Situation: zwei Modelle 66
2. Soziolekte und Diskurse 72
3. Intertextualität . . . . . . . . . . . . 81
IV. TEXTSOZIOLOGISCHE MODELLE: PROUST, MUSIL 88
1. Ambivalenz und Marktgesetz in der Sprache . . . .. 88
(a) Ambivalenz im Karneval: Intertextualität bei Bachtin 89
(b) Text und Markt . . . . . . . . . . . . . . .. 91
(c) Ambivalenz und Philosophie: Von Nietzsche zu Musil 95
2. Zu Marcel Prousts ,.A la recherche du temps perdu« 100
(a) Die sozio-linguistische Situation . . . 101
(b) Ambivalenz und Intertextualität . . . 105
(c) Ambivalenz und narrative Strukturen. 107
v
(d) Paradigmatisches Schreiben: Von der ,.parole« zur
,.~criture« . • . . • . . . . . . . . . . . . 112
3. Zu Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften« . 119
(a) Die sozio-linguistische Situation: Ideologie und
Tauschwert . . . . . . . . . . . . . . . . 120
(b) Die Verdoppelung der Wirklichkeit: Text und Inter-
text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
(c) Die »Krise des Romans« . . . . . . . . . . . . 130
(d) An der Schwelle des Unbewußten: Musils »Essayis-
mus« • . . . . . . . . . . . 133
V. BEMERKUNGEN ZUR ROMANSOZIOLOGIE • 143
1. Vom Besonderen zum Allgemeinen. 143
2. Exkurs zu Kafka und Hesse . . . 146
3. Zur Entwicklung des französischen Romans . 154
VI. DISKURSKRITIK • • • • • • • • • • 160
1. Theorie und Fiktion . . . . . . 160
2. Diskursanalyse als Ideologiekritik 166
(a) Kritik eines formalen Ansatzes . 166
(b) Zur ideologiekritischen Analyse theoretischer Dis-
kurse. . . . . . . . . . . . . . . . . 170
3. Adornos ,.Kritische Theorie« als Anti-Diskurs? 180
(a) Liberalismus und ,.Kritische Theorie« . . . 180
(b) Partikularität und Essay . . . . . . . . 182
(c) Essay, Modell, Parataxis: Das Paradox einer nicht-
theoretischen Theorie . 183
REGISTER 187
Druckfehlerberichtigung :
Auf den Seiten V, 49, 50, 51, 52, 64, 161 und 189 ist der Name
Macheray wie folgt zu berichtigen: Macherey
VI
TEXT UND KONTEXT:
PROGRAMMATISCHE BEMERKUNGEN
1. »Literatursoziologie«
Die bisherigen literatursoziologischen Strömungen, sowohl
die empirischen als auch die dialektischen, gingen in vielen
Fällen von den tradierten Prämissen der Philologien aus. Es ist
erstaunlich zu beobachten, wie groß das Vertrauen marxisti
scher Forscher in das lexikalische Repertoire des philologischen
Diskurses ist: Begriffe wie Kunstwerk, Schöpfung, Stil, Roman
werden einer Theorie einverleibt, die sich einerseits auf
Marxens Kritik der bürgerlichen Verhältnisse beruft, anderer
seits aber des ideologischen Charakters einer bestimmten Termi
nologie und deren Sprachäußerungen nicht gewahr wird.
Sicherlich wäre es trivial, das Problem der Diskursanalyse
und der Diskurskritik auf deren lexikalische Dimension einen
gen zu wollen und zu behaupten, in jeder neuen Wortschöpfung
keime eine neue (revolutionäre) Ideologie. Der Leerlauf termi
nologischer Innovation, den manche moderne Textwissenschaf
ten ratlosen Lesern vor Augen führen, zeugt von der Unmög
lichkeit, die sprachliche Situation durch einfache Neologismen
zu revolutionieren. Die Komplexität einer diskursiven Struktur
ist nicht auf deren lexikalische Grundlage reduzierbar.
Dennoch haben Autoren wie Louis Althusser und Michel
P&cheux, der sich auf Althusser beruft, recht, wenn sie behaup
ten, daß in einem bestimmten Kontext ein neu es Wort zugleich
einen ideologischen Bruch mit der Vergangenheit bezeichnen
kann. Nur wenn eine sprachlich-ideologische Situation und die
sie strukturierenden Gegensätze und Gegensatzpaare auf dem
Spiel stehen, kann dem von P&cheux zitierten Satz Althussers
zugestimmt werden: »Der gesamte Klassenkampf kann manch
mal auf die Auseinandersetzung zwischen Wörtern zurückge
führt werden.« (Pkheux, 1975, S. 194).
Das Wahrheitsmoment dieses Satzes besteht in der Erkennt
nis, daß die Sprache selbst ideologisch vermittelt ist und daß
es weder in der Wissenschaft noch in der Literatur wertneutrale
Sprachäußerungen gibt. Diese Erkenntnis ist innerhalb der
Literatursoziologie ein Novum: Während die empirischen Me
thoden auf die Textstruktur verzichten, um sie, der Arbeits
teilung gehorchend, der Philologie und der Literaturkritik zu
überlassen (siehe Kap. I), haben Marxisten es sich angewöhnt,
so über Literatur zu sprechen, als wäre sie kein Text, kein ver
bales Zeichensystem, sondern schlicht »Kunst«.
1
Eine solche Haltung hat zwei Folgen: 1. Die Textstruktur
(die manche Empiriker gewissenhaft ausklammern) wird be
stenfalls intuitiv und mit Hilfe überlieferter philologischer Ka
tegorien und Begriffe untersucht, schlimmstenfalls gar nicht
wahrgenommen. 2. Der wissenschaftliche, theoretische Metatext
wird nicht hinterfragt, sondern spontan ,.benutzt«, wobei sein
historischer und ideologischer Stellenwert verdeckt bleibt.
2. Kritik des Metatextes
Der dialektischen Literatursoziologie fehlt eine kritische
Texttheorie, die in der Lage wäre, sowohl den fiktionalen Text
als auch die theoretischen Metatexte im sozio-historischen und
sozio-linguistischen Kontext zu beschreiben und zu kritisieren.
Die Dialektik hat es bisher einer mehr oder weniger formalen
Linguistik oder Semiotik (Z. Harris, A. J. Greimas) überlassen,
sich Gedanken über Diskurstypen zu machen und Werturteile
als sprachliche Strukturen zu erfassen (Greimas). Den Argu
menten des ,.Kritischen Rationalismus«, der auf der Ebene des
Metatextes den Vorwurf verlauten ließ, dialektische Literatur
theorien hätten ihre Begriffe nicht (schlecht) definiert, hatte
außer der »Kritischen Theorie« kein dialektisches Denken et
was entgegenzusetzen. Erst unter dem Einfluß der Semiotik
haben einige Verfechter des Althusserschen Marxismus in neu
ester Zeit beschlossen, die sprachlichen (diskursiven) Grund
lagen von Ideologien zu erforschen (siehe: Althusser, 1976 und
P~cheux, 1975).
Die »Kritische Theorie« war ihrem Selbstverständnis nach,
vor allem nach dem Erscheinen der »Dialektik der Aufklärung«
(Amsterdam, 1947), schom immer Sprach- und Diskurskritik
gewesen. Das Fehlen einer ihr verwandten kritischen Semiotik
(Texttheorie) hinderte sie nicht daran, den ideologischen Moti
vationen der definierenden und klassifizierenden Rede des Ra
tionalismus nachzugehen. Nicht zufällig untersucht Th. W.
Adorno in seinem Buch über den» Jargon der Eigentlichkeit«
das belastete Vokabular von Jaspers' und Heideggers Existenti
alismus und dessen Verbreitung in einer besonderen sozio-lingu
istischen Situation (der der fünfziger Jahre).
Eines der wesentlichen Argumente Adornos, das auch in der
vorliegenden Arbeit eine wichtige Rolle spielt, hebt die Histori
zität des Sprachsystems hervor, die von der ontologischen Rede
verschleiert wird. Darin trifft sie sich (nicht zufällig) mit dem
2
»Kritischen Rationalismus«, der die historische Wandelbarkeit
der Begriffe nicht wahrhaben will. Ober den »Jargon« schreibt
Adorno: »W as die Worte mehr sagen als sie sagen, wird ihnen
ein für allemal als Ausdruck zugeschanzt, Dialektik abge
brochen; die von Wort und Sache wie die innersprachliche
zwischen den Einzelworten und ihrer Relation.« (Adorno,
1964, S. 14)
3. Exkurs zu Bachtin
Die historische Bedingtheit lexikalischer Einheiten sowie die
ideologische Bedeutung einzelner Aussagen (»slovo«, »utter
ance«, »enonce«) haben unabhängig von der »Kritischen Theo
rie« auch M. Bachtin, V. N. Volo~inov und P. N. Medvedev
erkannt. In mancher Hinsicht gehen ihre Arbeiten über den
Rahmen von Adornos Sprachkritik hinaus, weil sie sich un
mittelbar mit den a-historischen Kategorien der synchronen
Linguistik Saussures auseinandersetzen und dabei die Möglich
keit einer dialektischen Semiotik ins Augen fassen. Sie stimmen
mit der »Kritischen Theorie« überein, wenn es darum geht, die
literarische Produktion im sozio-linguistischen Zusammenhang
zu beschreiben und zu erklären, wobei es den russischen/sowje
tischen Autoren darum zu tun ist, die gesellschaftliche Struktur
als sprachliche Erscheinung zu erfassen (siehe Kap.III), wäh
rend W. Benjamin, M. Horkheimer und Th. W. Adorno eher
der Frage nachgehen, wie sich gesellschaftliche Widersprüche
im literarischen Text (etwa in Georges oder Mörikes Lyrik)
niederschlagen.
Beide Ansätze verbindet schließlich der Wunsch nach einer
kritischen Theorie transphrastischer (diskursiver) Strukturen,
die in der Lage wäre, den ideologischen Stellenwert philo
sophischer, literarischer oder politischer Texte auf sprachlicher
Ebene zu bestimmen und im Rahmen der fortschreitenden ge
sellschaftlichen Institutionalisierung zu erklären. Freilich haben
weder die Mitglieder der Bachtin-Gruppe noch die Begründer
der »Kritischen Theorie« eine Diskursanalyse im Sinne der
Greimasschen Semiotik konzipieren können. Wie schon der
Titel von Bachtins/Volo~inovs Buch »Marxizm i filosofia jazy
ka« (1929) (»Marxismus und »Sprachphilosophie«, Berlin, 1975)
verrät, handelt es sich auch bei den linguistisch ausgerichteten
und von der Auseinandersetzung mit Saussure geprägten sow
jetischen Entwürfen eher um Sprachphilosophie als um Semi
otik oder Textlinguistik.
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