Table Of ContentD. Hartmann · K. Lehner
Technische
Expertensysteme
Grundlagen, Programmiersprachen,
Anwendungen
Mit 58 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo Hong Kong Barcelona
Prof. Dr.-Ing. Dietrich Hartmann
Dipl.-Inform. Karlheinz Lehner
Fakultat fUr Bauingenieurwesen
Angewandte Informatik im Bauingenieurwesen
Ruhr-Universitat Bochum
Postfach 102148
4630 Bochum 1
ISBN-13: 978-3-540-52155-6 e-ISBN-13: 978-3-642-93453-7
001: 10.1007/978-3-642-93453-7
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1990
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2068/3020-543210 -Gedruckt auf siiurefreiem Papier
Vorwort
Computerorientierte Methoden im Ingenieurwesen basierten lange Zeit im wesent
lichen auf Algorithmen, was verstiindlich ist, da die DurchfUhrung von Berechnun
gen zu einer der Hauptaufgaben des Ingenieurs gehOrt. Mit zunehmender Leistungs
fiihigkeit der Computer entwickelte sich ein neuer Trend: Auch allgemeine informa
tionsverarbeitende Prozesse wurden auf Computern abgebildet. Die Entwicklungen
in den Bereichen Textverarbeitung, Technische Dokumentation, Datenbanken,
Kommunikation, graphische Dar~teIlung, be'].eg~~" c,lies. Sp~~iel1, ~ Ingenieurwesen
fUhrte die Einfiihrung von CAD-Systemen zu gravierenden struktureIlen Veriinde
rungen; noch weitreichendere Veriinderungen sirrd'durch das CIM, zu erwarten, mit
dem der gesamte Informations-und DatenfluB bei der Herstellung eines technischen
Produktes, im Bauwesen eines Bauwerks, konsequent per Computer gesteuert wer
den soIl.
In den letzten lahren wurde es durch Fortschritte in der sogenannten
"Kiinstlichen Intelligenzforschung" moglich, in verstiirktem MaGe auch kognitive
Fiihigkeiten, d.h., eigentlich aIlein dem Menschen vorbehaltene, "Intelligenz" erfor
dernde Fiihigkeiten computergerecht aufzubereiten und zu verarbeiten. Menschliche
Aktivitiiten, wie z.B. das Planen, das Erkennen bestimmter Sachverhalte und Zu
sammenhiinge, das Bewerten und Beurteilen aufgrund von Wissen, das Sehen und
Sprachverstehen wurden einer Verarbeitung mit Computern zugiinglich gemacht.
Eine SondersteIlung innerhalb der kognitiven Informatik haben Expertensysteme,
die Thema dieses Buches sind und die man - in aIler Kiirze - als Programmsysteme
definieren kann, mit denen Aufgabenstellungen gelost werden, fUr die bislang allein
menschliche Spezialisten erforderlich waren. Die Sonderstellung besteht darin, daB
sich Expertensysteme -verglichen mit anderen KI-Disziplinen -im praktischen Ein
satz hervorragend bewiihrt haben und inzwischen wirtschaftlich erfolgreich einge
setzt werden. Nicht zuletzt aus dies em Grund werden Expertensysteme auch ungern
der KI-Forschung zugeordnet, besser ist es, die Expertensystemtechnologie als eine
Softwaretechnik innerhalb der Software-Evolution zu betrachten. Expertensysteme
eignen sich im praktischen Einsatz besonders dann, wenn schlecht oder unvollstiin
dig strukturierte Lasungskonzepte vorliegen bzw. keine in sich konsistente Algo
rithmen existieren und vor allem Wissen in genereller Form zur Lasung herangezo
gen werden muB.
VI Vorwort
Das vorliegende Buch verfolgt das Ziel, die Expertensystemtechnologie aus Inge
nieursicht darzustellen, urn so Ingenieuren den Zugang zu dieser neuen Technologie
zu ermoglichen, die sich mehr und mehr als eine Art Programmierstil entpuppt und
damit weniger drama tisch ist als man allgemein annimmt.
Neben der Darstellung von Grundlagen und neuen Tendenzen wird ein beson
deres Schwergewicht auf "regelorientierte Expertensysteme" gelegt. Das hangt da
mit zusammen, daB regelorientierte Systeme bereits allgemein verbreitet sind und
das Expertenwissen zu einem groBen Teil in Form von Regeln kodiert ist. Fur Inge
nieure ist deshalb der Weg zur Beherrschung der Expertentechnologie uber das sog.
regelorientierte Paradigma besonders gut nachvollziehbar.
Urn das Verstandnis des Ingenieurs fur Expertensysteme zu wecken, enthalt das
Buch auch eine Reihe von praktischen Anwendungsbeispielen aus dem technischen
Bereich, wobei die Umsetzung von Problemstellungen so ausfuhrlich wie moglich
behandelt wird. Hierbei wurde der Versuch unternommen, entsprechende Beispiele
einfach zu halten und die grundlegenden Ideen offen zu legen -in der Hoffnung, daB
der Leser bei der LOsung anstehender eigener Probleme analog vorgehen kann.
Besonderer Dank gilt unseren Mitarbeitern Dipl.-Ing. E. Casper fur wertvolle An
regungen und Dipl.-Ing. H.J. Schneider fur die sorgfaltige Korrekturdurchsicht bei
der Erstellung des Buches.
Bochum, im August 1990 Dietrich Hartmann
Karlheinz Lehner
Inhalt
1 Einfuhrung in Expertensysteme ................................................ 1
1.1 Bemerkungen zur Kunstlichen Intelligenz .............................................. 1
1.2 Historische Entwicklung der Kunstlichen Intelligenz .............................. .4
1.2.1 Kurzer historischer Ruckblick .................................................... 5
1.2.2 Kybernetische Phase (1950-1960) .............................................. 6
1.2.3 Heuristische Phase (1960-1970) ................................................. 7
1.2.4 Wissensreprasentationsphase (1970-1980) ............................... 9
1.2.5 Lernfahige Systeme (1980-1990) .............................................. 13
1.2.6 Laufende Forschungsarbeiten .................................................. 14
1.3 Teilgebiete der KOnstlichen Intelligenz ................................................. 16
1.4 Aufbau von Expertensystemen ............................................................ 17
1.4.1 Klassische Programmierkonzepte ............................................ 19
1.4.2 Expertensystemkonzepte und ihre Herleitung .......................... 22
1.4.3 Komponenten eines Expertensystems ..................................... 23
1.5 Typische Einsatzgebiete fur Expertensysteme ..................................... 26
1.6 Oberblick zur Wissensreprasentation .................................................. 35
1.7 Strategien zur Wissensverarbeitung und Inferenzmechanismen .......... 39
1.8 Hard-und Software-technische Aspekte .............................................. 42
1.9 Zusammenfassung .............................................................................. 44
2 Grundlagen der Expertensysteme ............................................4 5
2.1 PradikatenkalkOI .................................................................................. 45
2.1.1 Logische Grundbegriffe ............................................................ 49
2.1.2 Pradikatenlogik mit Variablen ................................................... 67
2.1.3 Resolution ................................................................................ 76
2.1.4 Unifikation ................................................................................ 80
2.2 Suchstrategien ..................................................................................... 81
2.2.1 Heuristiken ............................................................................... 84
2.2.2 Suchbaume (und/oder-Baume) ............................................... 88
2.2.3 Vorwarts-und ROckwartsverkettung ........................................ 93
2.3 Inferenz bei ungenauer Information ..................................................... 95
2.3.1 "Fuzzy Logik" .......................................................................... 96
2.3.2 "Bestimmtheitsfaktoren" im MYCIN ......................................... 98
2.3.3 Der Satz von Bayes .................................................................. 99
VIII Inhalt
2.4 Wissensreprasentation ...................................................................... 100
2.4.1 Semantische Netze ................................................................ 102
2.4.2 Rahmen (frames) ................................................................... 105
2.4.3 Blackboard Konzepte ............................................................. 109
2.4.4 Tiefes Wissen ......................................................................... 111
2.2.4 AbschlieBende Bemerkungen zur Wissensreprasentation ...... 112
3 Expertensystemschalen ......................................................... 113
3.1 Beurteilungskriterien fur Expertensystemschalen .............................. 113
3.2 Obersicht uber Expertensystemschalen ............................................ 115
3.2.1 INSIGHT 2 .............................................................................. 115
3.2.2 KEE ........................................................................................ 116
3.2.3 LOOPS ................................................................................... 117
3.2.4 S.1 .......................................................................................... 118
3.2.5 TWAICE ................................................................................. 118
3.2.6 Bewertung .............................................................................. 119
3.3 Diagnose-Expertensystem -ein Einfuhrungsbeispiel ......................... 120
3.4 INSIGHT 2 -naher betrachtet ............................................................. 125
3.4.1 Produktionsregeln .................................................................. 125
3.4.2 Aussagetypen in INSIGHT 2 ................................................... 127
3.4.3 Hauptziele (goals) .................................................................. 131
3.4.4 Definition von Zusatzinformation ............................................ 132
3.4.5 Konfidenzwerte ...................................................................... 133
3.4.6 Prinzipieller Aufbau einer Wissensbank .................................. 134
3.4.7 Handhabung von INSIGHT 2 .................................................. 138
3.5 Nachweis-Expertensystem ................................................................ 141
3.5.1 Abschnitt 3.2.1 der DIN 18800 ................................................ 146
3.5.2 Querschnittswerte .................................................................. 148
3.5.3 Stabkennwerte ....................................................................... 153
3.5.4 Knickspannungslinie .............................................................. 156
3.5.5 Abschnitt 3.2.2 der DIN 18800 ................................................ 158
3.5.6 Abschnitt 3.3 der DIN 18800 ................................................... 160
3.5.7 Benutzerschnittstelle .............................................................. 168
3.5.8 Auszug DIN-Text ..................................................................... 169
4 Oberblick uber die Programmiersprache LISP ....................... 177
4.1 Entwicklung der Programmiersprache LISP ....................................... 178
4.2 Demonstrationsbeispiel: Einfeldtrager mit Auflast.. ............................ 179
4.3 Arithmetische Ausdrucke in LISP ....................................................... 183
4.3.1 Symbole und Zuweisungen .................................................... 186
4.3.2 Darstellung von Funktionen .................................................... 187
4.3.3 Bedingungen .......................................................................... 189
4.4 Symbolische Ableitungen .................................................................. 190
Inhalt IX
4.4.1 Ableitungsregeln .................................................................... 191
4.4.2 PrOffunktionen ........................................................................ 192
4.4.3 Funktionen zur Ustenmanipulation ......................................... 193
4.4.4 Vereinfachung arithmetischer AusdrOcke ............................... 198
4.4.5 Auswertung arithmetischer AusdrOcke ................................... 199
4.5 Newton-Iteration ................................................................................ 200
4.6 OberprOfung eines Extremwertes ...................................................... 203
4.7 Maximum einer Uste .......................................................................... 204
4.8 Zusammenfassung ............................................................................ 208
5 Die Programmiersprache PROLOG ........................................ 209
5.1. Fakten .............................................................................................. 210
5.2. Anfragen ........................................................................................... 211
5.3. PROLOG Regeln ............................................................................... 215
5.4. Der cut-Operator ............................................................................... 219
5.5. Arithmetik .......................................................................................... 221
5.6. "Nachweis-Expertensystem" ........................................................... 223
5.6.1. Unterabschnitt 3.2.1 der DIN 18800 als PROLOG-System ..... 225
5.6.2. Erste PrOfung des PROLOG-Programms .............................. 231
5.6.3. Verbesserung der Eingabekomponente ................................ 233
5.6.4. Verfeinerung der Berechnungkomponente ........................... 234
5.6.5. EingabeOberprOfung mit Usten ............................................. 236
5.6.6. DurchfOhrung von Fallstudien ............................................... 238
5.6.7. Bewertung von PROLOG ....................................................... 240
6 Auswirkungen auf das Ingenieurwesen und Perspektiven .... 241
6.1 CIM-Strategien / Integrierte CAE-Systeme ........................................ 241
6.2 Auswirkungen im Bereich Strukturanalyse ......................................... 244
6.3 Planung und Konstruktion technischer Systeme ................................ 247
Literatur .......................................................................................2 52
Register ....................................................................................... 254
1 Einfiihrung in Expertensysteme
Expertensysteme werden der sog. Ktinstlichen Intelligenz zugerechnet. Urn die Stel
lung der Expertensysteme innerhalb der Ktinstlichen Intelligenz beurteilen zu k6n
nen, solI deshalb zunachst ein Uberblick tiber die Ktinstliche Intelligenz mit ihren
verschiedenen Teilbereichen, einschlieBlich eines kurzen, historischen Abrisses ge
geben werden. Daran anschlieBend wird auf den Autbau von Expertensystemen und
ihre Einbettung in die traditionelle Datenverarbeitung (DV) eingegangen. Ziel des
ersten Kapitels ist es auch, vor einer vertieften Behandlung von Einzelheiten in den
folgenden Kapiteln einen Uberblick tiber die wichtigsten Komponenten von Ex
pertensystemen zu geben und die m6glichen Einsatzfelder im Ingenieurwesen her
auszukristallisieren. Das erste Kapitel sollte vor allem eine Einfiihrung in das Arbei
ten mit der Expertensystemtechnologie sein, und die Motivation liefem, sich auch als
Ingenieur mit dieser neuen DV-Technologie auseinanderzusetzen.
1.1 Bemerkungen zur Kunstlichen Intelligenz
Expertensysteme sind Programmsysteme, die zunehmend an Aktualitat gewinnen. In
Computerzeitungen, in der Tagespresse, auf Messen und Konferenzen werden sie als
die neue Errungenschaft in der modemen Datenverarbeitung dargestellt. Experten
systeme werden dabei als "Ei des Kolumbus" angesehen, mit denen sich eine ganze
Reihe von unterschiedlichsten Problemen 16sen lassen -Probleme, die mit der kon
ventionellen Datenverarbeitung bislang nicht oder nur unzulanglich bearbeitet wer
den konnten. Kurzum, es wird eine v6llig neuartige Denkart in der Software-Ent
wicklung eingeleitet.
Die klassische Datenverarbeitung wird dabei urn eine neue Komponente erwei
tert, namlich die computergerechte Darstellung und Verarbeitung von Expertenwis
sen, das in vielfiiltiger Form vorliegen kann -in Form von
• Fakten,
• Regeln,
• LOsungsprinzipien,
• "Daumenregeln",
2 1 EinfUhrung in Expertensysteme
• vagem Wissen,
• Erfahrungswerten,
• Problembesehreibungen,
• Objektbesehreibungen,
• Relationen von Objekten zueinander,
• Entseheidungsregeln,
• Hypothesen,
• Situationsbesehreibungen,
• Heuristiken,
• Bedingungen, usw.
Man sieht, daB Wissen in sehr untersehiedlieher Form reprasentiert werden kann.
Welches Wissen im Einzelfall am besten zur Besehreibung geeignet ist, hangt vom
Wissensgebiet (knowledge domain) abo Ein Wissensgebiet ist dabei ein eng definier
ter Bereich, in dem Wissen erfaBt werden solI.
Definition: Wissensbasierte Systeme
Expertensysteme sollte man sich vorerst einmal als Programmsysteme
vorstellen, mit denen die Faehkompetenz von Experten - die sich auf ei
nem eng umgrenzten Bereich hervorragend auskennen - in einer Wis
sensbank gebiindelt und EDV-gereeht zur LOsung von Problemen bereit
gestellt wird. Da das Wissen eine zentrale Rolle spielt, werden Experten
systeme aueh als WlSsensbasierte Systeme (Knowledge based systems) und
die Datenverarbeitung mit wissensbasierten Systemen als WlSsensverar
beitung bezeichnet.
Wissensverarbeitung ist ein Teilgebiet der Kilnstlichen Intelligenz, wobei sich mit
dem Wort Kiinstliehe Intelligenz ein gewisses Unbehagen verbindet. Die Verkniip
fung mit Intelligenz, die ja naeh allgemeiner Meinung bislang allein dem Mensehen
vorbehalten ist, weekt Kritik, vielleicht aueh Aversionen. Diese Aversionen abzu
bauen, ist ein Ziel dieses Buehes: Dazu solI gezeigt werden,
• was Wissensverarbeitung ist,
• wie man sie einsetzt und
• welcher Nutzen vom Einsatz dieser neuartigen Informationsteehnik zu
erwarten ist.
Da Expertensysteme und Wissensverarbeitung etwas mit "Intelligenz" zu tun haben,
ist es zweekmaBig, diesen Begriff genauer zu definieren, urn so mit klaren Begriffen
operieren zu konnen.