Table Of ContentHermann Gschwendtner
Schaltalgebra
fOr Fachschulen Technik
Mit 83 Abbildungen
Vieweg
Vlewegs
FachbUcher
der
Technlk
Hermann Gschwendtner ist Studiendirektor an der Wilhehn-Maybach-Schule
(Gewerbliche Berufs-und Fachschule) in Stuttgart-Bad Cannstatt.
1977
Aile Rechte vorbehalten
© Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1977
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1977
Die Vervielfiiltigung und Ubertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch fUr
Zwecke der Unterrichtsgestaltung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher
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Satz: Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig
ISBN 978-3-528-04037-6 ISBN 978-3-322-86204-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-86204-4
Vorwort
Die Entwicklung der modernen Technik hat dazu gefiihrt, d~ sich nicht nur
Mathematiker, sondern auch Techniker in verstarktem M~e mit der Schaltalgebra
befassen.
Grundkenntnisse in Schaltalgebra fordern das Verstandnis fUr Elektrotechnik,
Steuerungs-und Regeltechnik, Datenverarbeitung.
Das vorliegende Biichlein entstand aus mehrjahriger Arbeit mit Technikern des
Maschinenbaus. Damit sind auch seine besonderen Merkmale begriindet.
Soweit irgendwie moglich, wird der Weg der Anschauung beschritten:
Erst das Beispiel, dann die theoretische Veraligemeinerung, dann die Dbung und
Anwendung.
Sehr wertvoll ist die Arbeit mit einem Lehrgerat (z. B. Leybold-SIMULOG), denn
viele Details lernt man am besten durch eigenes Tun.
Rein mathematische Satze und Formalismen sind in Kapitel 2 zusammengef~t.
Die Kapitel 1 und 3 sind auch dann mit Erfolg zu bearbeiten, wenn Kapitel 2 zu
nachst iibergangen wird.
Stuttgart-Bad Cannstatt Hermann Gschwendtner
I nhaltsverzeichnis
1. Verkniipfungsglieder
1.1. Grundbegriffe 1
1.1.1. Aufgaben zu Abschnitt 1.1 2
1.2. Grundschaltungen 3
1.2.1. Die UND-Schaltung 3
1.2.2. Die ODER-Schaltung 4
1.2.3. Die Negation 5
1.2.4. Die NAND-Schaltung 6
1.2.5. Die NOR-Schaltung 6
1.2.6. Aufgaben zu Abschnitt 1.2 7
1.3. Einfache Schaltungen mit Verkniipfungsgliedern 9
1.3.1. Symbolische Darstellungen 8
1.3.2. tibersicht aller moglichen Verkniipfungen zwischen zwei Zustandsvariablen
a und b mit der Zustandsfunktion c 9
1.3.3. Grundiibungen 10
1.3.4. Kombination mehrerer Verkniipfungsglieder 13
1.3.5. Darstellung der Grundschaltungen mit NOR-Gliedern 15
1.3.6. Aufgaben zu Abschnitt 1.3 15
1.4. Umfangreichere Schaltungen mit Verkniipfungsgliedern 16
1.4.1. Die Antivalenzschaltung 16
1.4.2. Die Aquivalenzschaltung 18
1.4.3. Die Giiltigkeitspriifung 111
1.4.4; Der Zahlenvergleich 1' )
1.4.5. Das Faust-Hand-Spiel (Knobeln zu dritt) 21
1.4.6. Das Spiel Schere-Stein-Papier (Knobeln zu zweit) 22
1.4.7. Aufgaben zu Abschnitt 1.4 23
2. Satze der Schaltalgebra 25
2.1. Die Kommutativgesetze 25
2.2. Die Assoziativgesetze 26
2.3. Die Distributivgesetze 26
2.4. Die Idempotenzgesetze 28
2.5. Die Absorptionsgesetze 28
2.6. Die Gesetze des Komplements 29
2.7. Die Gesetze von 0 und L 30
2.8. Die Gesetze von de Morgan 30
2.9. Zusammenfassung der Satze von Kapitel 2 31
2.10. Anwendung der Satze zur Booleschen Algebra 31
2.11. Aufgaben zu Kapitel 2 33
3. Speicherglieder 34
3.1. Vibratoren 34
3.2. Speicherzmitande 34
3.2.1. Setzen und Riicksetzen von Speichern 35
3.2.2. Andern des Speicherzustands 35
3.3. Binarzahien 36
3.3.1. Codierer 38
3.4. Schaltungen mit Speichergiiedern 39
3.4.1. Der Moduio-Dualzahier 39
3.4.2. Die Prioritatsschaitung 39
3.4.3. Register 41
3.4.4. Schieberegister 42
3.4.5. Der Haibaddierer 43
3.4.6. Volladdierer 44
3.5. Aufgaben zu Kapitei 3 46
4. Anwendungsbeispiele 47
5. Aufgaben 51
6. LOsungen 53
6.1. MusterlCisung zur NOR-Schaltung (Abschnitt 1.2) 53
6.2. Musteriosung zu Abschnitt 1.3.3 (Vbung 3 und 4) 54
6.3. Musteriosung zu Abschnitt 1.4.2 55
6.4. Musteriosung zu Abschnitt 1.4.5 und zu Biid 39 55
6.5. Losungen der Aufgaben 55
7. Weiterftihrende Literatur (Auswahl) 64
8. Sachwortverzeichnis 64
1. Verkniipfungsglieder
1.1. Grundbegriffe
Mit einem Englander kann man heute noch dariiber diskutieren, ob das gute alte Pfund
Sterling zu je 20 Schilling oder 240 Pence durch Mtinzen mit Dezimalteilung ersetzt wer·
den sollte.
Wir Mitteleuropaer halten unsere Zehnerzahlen fm das beste und einfachste Zahlensystem,
und das mit gutem Grund. Aber es geht uns manchmal wie den Englandern: Angeblich
gibt es ein System, das an Einfachheit nichttu tibertreffen ist, weil es statt zehn Ziffern
nur noch zwei benotigt.
Wir wollen uns dieses Denken im Zweiersystem am Beispiel eines einfachen Stromkreises
veranschaulichen. Der Stromkreis enthalt au~er der Spannungsquelle nur den Schalter A
und die Lampe B (BUd 1).
o
~8
Bild 1
Schalter und Lampe konnen nur zwei Zustande besitzen: Ein oder aus, hell oder dunkel.
FUr "Ein" bzw. "Hell" kann man die Ziffer 1 setzen, ftir "Aus" bzw. "Dunkel" steht dann
die Ziffer O. Dabei hat lund 0 nicht me4r die BedeutWlg, die wir yom Dezimalsystem her
gewohnt sind. Urn Verwechslungen zu v~meiden, sind statt lund 0 auch andere Bezeich
nungen im Gebrauch, z. B. Lund 0, H und L (von High und Low), P und N (von Positiv
und Negativ), aktiv und inaktiv oder wahr und falsch. Allen diesen Bezeichnungen ist ge
meinsam, d~ sie einen von zwei moglichen Zustanden beschreiben, die sich gegenseitig
ausschlie~en .
1m Beispiel unseres Stromkreises besteht am Schalter A ~e Moglichkeit, den Zustand der
Anlage zu andern. A ist die unabhiingige Zustandsgro~e oder die Zustandsvariable. Die
Lampe B wird dagegen als abhangige Zustandsgro& oder Zustandsfunktion bezeichnet.
Der Zustand bei B hangt yom Zustand bei A ab:
b = f(a)
Die Art der Abhangigkeit zeigt die funktionstabelle oder Zuordnun~tabelle (Bild 2). In
diesem Beispiel gilt offensichtlich: Zustand bei A = Zustand bei B, also a =b .
[lliJ
b
L L
o 0
Bild 2
2 1. Verknupfungsglieder
Als zweites Beispiel erkennen wir in Bild 3 das Sehaltbildder Weehselsehaltung mit den
Sehaltern A und B, sowie der Lampe C. Jetzt hiingt die Zutandsfunktion e (= Zustand
der Lampe) von zwei Variablen (Sehaltern) a und b ab:
e = f(a. b)
BiId 3
Die Zuordnung von a, b und e ersieht man aus der Funktionstabelle (Bild 4). Es gibt vier
versehiedene M6gliehkeiten, urn die Zustande von a und b zu kombinieren.
a b c
L L L
L 0 0
0 L 0
«
0 0 L
Bild 4
Was in diesem Lehrgang am Beispiel elektriseher Stromkreise veransehaulieht wird, gilt ge
nauso fiir pneumatisehe, hydraulisehe oder fluidisehe Stromkreise und Sehaltelemente.
Man mu~ also nieht umlernen, wenn statt eines Sehalters im elektrisehen Stromkreis
anderswo ein Ventil in einem Olstromkreis verwendet werden soll.
1.1.1. Aufgaben zu Abschnitt 1.1
1.1-1. Wieviel versehiedene Sehaltzustande kann eine Zustandsgr6~e annehmen?
1.1-2. Wie benennt man die verschiedenen Sehaltzustande einer Zustandsgr6&? (Vier
M6gliehkeiten!) (
1.1-3. 1st im skizzierten Sehaltbild e eine Funktion von a? (Bild 5) Begri.indUng!/~ .
1.14. Erstellen Sie die Funktionstabelle zu Bild 5.
L
Wider
stand
Lampe B
Bild 5
1.2. Grundschaltungen 3
1.2. Grundschaltungen
1.2.1. Die UND-Schaltung
Eine Exzente~resse wird von Hand beschickt, und das fertige Tiefziehteil wird von Hand
dem Ziehwerkzeug entnommen. Urn Unfille zu vermeiden, darf die Pre sse nur arbeiten,
wenn die Bedienungsperson beide Hande aus dem Gefahrenbereich des Werkzeugs ge
nommen hat. Diese Forderung kann man durch die Zweihand-Einrtickung der Pre sse er
ftillen. Nur wenn gleichzeitig zwei Knopfe oder Hebel betatigt werden, arbeitet die Presse.
Derselbe Gedanke wird durch den elektrischen Stromkreis in Bild 6 veranschaulicht. Die
Lampe C brennt nur, wenn die Schalter A und B gleichzeitig geschlossen sind. c ist wie
in Bild 3 eine Funktion von a und b, allerdings zeigt ein Blick auf die Funktionstabelle
(Bild 7), daB wie erwartet ein anderer Zusammenhang zwischen a, b und c besteht.
c = a und b, oder kiirzer
c=al\b
a b c
L L L
L 0 0
0 L 0
0 0 0
Bild6 Bild 7
Die Funktion c = a 1\ b wird durch die Reihenschaltung der Variablen (Schalter) A und B
dargestellt. Von den vier verschiedenen Kombinationen aus a und b bringt nur eine Kom
bination die Lampe zum Leuchten.
Auch das Venn-Diagramm der Mengenlehre ist gut geeignet, die Verkniipfung c = a 1\ b
wiederzugeben: C ist der Durchschnitt der Menge A und B, also diejenige Teilflache,
die sowohl in der Flache A als auch in der Flache B enthalten ist. (Bild 8)
Bild 8
Man bezeichnet den Ausdruck c = a 1\ b auch als Konjunktion. Sinnvoll wird diese Kon
junktion nur, wenn sich die Flachen A und B iiberschneiden. Sie miissen eine gemein
same Teilmenge besitzen.
4 1. Verkniipfungsglieder
1.2.2. Die ODER~chaltung
Eine Firma will am "Tag der offenen TOr" die Zahl ihrer Besucher feststellen. Man kann
den Betrieb durch zwei verschiedene TOren betreten. An jeder TOr befindet sich eine Licht
schranke, die Impulse beider Lichtschranken gelangen zu einem gemeinsamen Ziihlwerk.
Die Anzeige des Ziihlwerks wird erhOht, wenn durch eine der zwei TOren ein Gast eintritt.
Es ware falsch, wenn das Ziihlwerk nur bei gleichzeitigem Eintritt je eines Besuchers durch
jede der zwei TOren weiterziihlen wOrde.
~
U~~o..) ~')' ~ .~. \~~\,,~
~\t..b\l...~ \;,\ 1.
Bild 9
Am Modell des Stromkreises erhalten wir fUr die eben genannte Bedingung die Parallel
schaltung der Variablen A und B (Bild 9). Die Lampe C brennt, wenn entweder der
Schalter A oder der Schalter B geschlossen wird. Aber auch nach Schlie~en beider Schal
ter brennt die Lampe. Wir haben es also mit dem sogenannten inklusiven Oder zu tun
(lateinisch vel). Mit dem exk.lusiven Oder (Lampe brennt nur bei verschiedenem Zustand
von a und b), werden wir uns spater befassen (Antivalenz, lateinisch aut).
c = a oder b
c=avb
Die Zuordnung von a, b und c ist in der Funktionstabelle (Bild 10) dargestellt. Bei drei
der vier moglichen Kombinationen von a und b brennt die Lampe.
a b c
L L L
L 0 L
0 L L
0 0 0 Bild 10
Bild 11
Bild 11 zeigt das Venn-Diagramm fUr die Oder-Schaltung. C ist die Vereinigung der Menge
A und B. Es ist nicht notwendig, daE A und Beine gemeinsame Teilmenge besitzen; das
hei~t, die Flachen A und B mUssen sich nicht iiberschneiden.
1.2. Grundschaltungen 5
Leider ist die Verwendung der Zeichen fUr UND und ODER nicht ganz einheitlich. Man
findet 1\ und v, n und U, neuerdings auch . und +. Wir halten uns hier an die Darstellung,
die zur Zeit am weitesten verbreitet ist. Es gibt eine nicht sehr geistreiche, aber sichere
Methode, urn die Zeichen zu unterscheiden:
Das Symbol fUr !lnd ist !lnten offen: 1\
Das Symbol fUr Qder ist Qben offen: v
1.2.3. Die Negation
In die Schaufenster vieler Juweliergeschiifte sind feine Driihte eingezogen. Sobald eine
Scheibe beschiidigt wird, rei~t der Draht. Dadurch wird der Stromkreis unterbrochen und
eine Alarmvorrichtung eingeschaltet.
In Bild 12 ist ein vergleichbarer Stromkreis dargestellt. Der Schalter A nirnmt die Funk
tion des Drahtes wahr. Abrei~en des Drahtes entspricht dem offnen des Schalters. Aber
genau dann, wenn der Schalter geOffnet wird, soli im Alarmgerat (z. B. Warnlampe C)
Strom flie~en. Die Zustande von Schalter A und Lampe C sind immer entgegengesetzt.
0
o L
A °ti
5
Bild 12
Geschlossener Schalter A - kein Stromflu~ in Lampe C, offener Schalter - Stromfl~
in der Lampe.
Die Umkehrung des Zustands von A bewirkt die Spule S. Solange sie von Strom durch
flossen wird, wirkt sie als Elektromagnet und hiilt den Schalter B geOffnet. Wenn die Spule
S (das Relais) stromlos wird, kann eine Feder den Schalter B schlie~en.
Bild 13 zeigt die Funktionstabelle fur Schalter A, Schalter B und Warnlampe C. Man sieht,
da~ C immer den entgegengesetzten Zustand von A einnimmt.
c=a
a b c
L 0 0
0 L L
Bild 13
Bild 14
a
wird gelesen als "a quer", "a nicht" oder "a negiert". Das Venn-Diagramm der Negation
zeigt Bild 14. C ist das Komplement der Menge A.