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und seine historien
herausgegeben von
volker grieb und clemens koehn
Franz Steiner Verlag
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Printed in Germany.
ISBN 978-3-515-10477-7
INHALTSVERZEICHNIS
Volker Grieb / Clemens Koehn
Einleitung „Polybios und seine Historien“ .............................................................. 7
Hans Kloft
Polybios und die Universalgeschichte ................................................................... 13
Andreas Mehl
Geschichte in Fortsetzung: Wie, warum und wozu haben Autoren wie
Polybios und Thukydides/Xenophon auf ein Ziel hin geschriebene
Geschichtswerke fortgesetzt? ................................................................................ 25
Helmut Halfmann
Livius und Polybios ............................................................................................... 49
Josef Wiesehöfer
Polybios und die Entstehung des römischen Weltreicheschemas ......................... 59
Jürgen Deininger
Die Tyche in der pragmatischen Geschichtsschreibung des Polybios ................... 71
Frank Daubner
Zur Rolle der geographischen Schilderungen bei Polybios ................................. 113
Burkhard Meißner
Polybios als Militärhistoriker ............................................................................... 127
Clemens Koehn
Polybios und die Inschriften: Zum Sprachgebrauch des Historikers ................... 159
Volker Grieb
Polybios’ Wahre Demokratie und die politeia von Poleis und Koina in
den Historien ........................................................................................................ 183
Linda-Marie Günther
Innergriechische Diplomatie und zwischenstaatliche Beziehungen in den
Historien des Polybios ......................................................................................... 219
6 Inhaltsverzeichnis
Boris Dreyer
Polybios und die hellenistischen Monarchien ..................................................... 233
Martin Tombrägel
Der Zugang des Polybios zur Kunst seiner Zeit .................................................. 251
Alain Bresson
Polybius and the Economy .................................................................................. 269
Peter Scholz
Philomathia statt philosophia: Polybios, die Philosophie und die
Idee der paideia ................................................................................................... 285
Wolfgang Spickermann
Kultisches und Religiöses bei Polybios ............................................................... 301
Literaturverzeichnis ............................................................................................. 319
Index nominum .................................................................................................... 337
Index locorum ...................................................................................................... 344
EINLEITUNG
„POLYBIOS UND SEINE HISTORIEN“
Volker Grieb / Clemens Koehn
Der vorliegende Band geht zurück auf eine in Hamburg an der Helmut-Schmidt-
Universität im April 2010 veranstaltete gleichnamige Tagung, der die Zielsetzung
zugrunde lag, den Historiker und sein Werk im Rahmen der jüngeren, stark auf
die dokumentarischen Quellen fokussierten Hellenismusforschung wieder stärker
in den Vordergrund zu rücken. Ausgehend von der Prämisse, dass Polybios’
Historien sich vor allem dann zutreffend in die hellenistische Geschichte einord-
nen lassen, wenn eine detaillierte und umfangreiche Textanalyse einem möglichst
breiten thematischen Zugang gegenübergestellt werden kann, sind die einzelnen
Beiträge größeren Themenbereichen gewidmet und konzentrieren sich auf jeweils
eigene Schwerpunkte – ohne dabei freilich das Ziel einer überblicksartigen Dar-
stellung zu verfolgen.
Die komplexe politische Geschichte der hellenistischen Staatenwelt ist angesichts
der trümmerhaften historiographischen Überlieferung für den modernen Histori-
ker in ihren größeren Zusammenhängen einzig durch das in umfangreicheren Tei-
len erhaltene Werk des arkadischen Politikers und Geschichtsschreibers Polybios
fassbar. Man kann es als Glücksfall der Geschichte bezeichnen, dass die verfloch-
tene zwischenstaatliche Situation in dieser Zeit mit den tiefgreifenden politischen,
gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen, die mit dem römischen Auf-
stieg einhergingen, von einem Zeitgenossen, wie es Polybios war, zum Gegen-
stand eines Geschichtswerkes gemacht wurde. Die forschungshistorische Bedeu-
tung seiner Historien zeigt sich bereits darin, dass diese für zahlreiche nachfol-
gende antike Autoren zum Referenzwerk avancierten und es bis zum Ende der
Antike blieben. Zu nennen wären etwa Poseidonios, der im 1. Jahrhundert v. Chr.
mit seinen Historien direkt an Polybios anknüpft,1 Livius, der für den entspre-
chenden Zeitraum über weite Strecken der polybianischen Darstellung folgt,2 oder
auch noch Zosimus, der sein Werk über den Fall des Römischen Reiches als Pen-
dant zur polybianischen Geschichte des römischen Aufstieges verfasste.3 Vor al-
1 Vgl. dazu J. MALITZ, Die Historien des Poseidonios, München 1983.
2 Vgl. die Literatur im Beitrag von H. Halfmann zu „Livius und Polybios“ im vorliegenden
Band.
3 Zos. hist. I 1,1: Πολυβίῳ τῷ Μεγαλοπολίτῃ, μνήμῃ παραδοῦναι τὰ καθ’ ἑαυτὸν ἀξιόλογα
τῶν ἔργων προελομένῳ, καλῶς ἔχειν ἐφάνη δι’ αὐτῶν ἐπιδεῖξαι τῶν πράξεων ὅπως οἱ
8 Einleitung „Polybios und seine Historien“
lem aber wird der hohe Wert von Polybios’ Geschichtsdarstellung daran deutlich,
dass er neben Thukydides der einzige antike Historiker ist, der sich nicht nur einer
überaus anspruchsvollen historischen Methode bediente, sondern über diese an
zahlreichen Stellen innerhalb seines Werkes auch intensiv reflektiert.4 Sein Werk
bleibt in dieser Hinsicht allerdings nicht ohne innere Widersprüche; auch wird
Polybios nicht immer seinen eigenen Anforderungen gerecht. Der wissenschaft-
liche Reiz seines Geschichtswerkes lag und liegt somit nicht nur in der Komplexi-
tät der darin behandelten ereignisgeschichtlichen Zusammenhänge, sondern eben
auch in deren darstellerischer Umsetzung und persönlicher Interpretation durch
Polybios, weshalb die Historien in vielfältiger Weise selbst Gegenstand von For-
schungen geworden sind.
Nach einer ersten intensiveren historisch-kritischen Auseinandersetzung im
19. und frühen 20. Jahrhundert, aus der heraus auch die heute noch gültigen Aus-
gaben von Friedrich Hultsch und vor allem Theodor Büttner-Wobst erarbeitet
wurden,5 erlebte die Beschäftigung mit Polybios besonders von der Mitte des 20.
Jhs. bis in die 1970er Jahre eine regelrechte Renaissance. Zu den grundlegenden
Untersuchungen dieser Phase gehören unter anderem der große RE-Artikel von
Konrat Ziegler (1952),6 die Arbeiten zur historischen Methode von Paul Pédech
(1964)7 und Karl-Ernst Petzold (1969)8 oder diejenigen zur historischen Glaub-
würdigkeit von Gustav A. Lehmann (1967)9, zur historischen Kritik von Klaus
Meister (1975),10 zum römischen Imperialismus von Domenico Musti (1978)11
Ῥωμαῖοι μετὰ τὸν τῆς πόλεως οἰκισμὸν ἑξακοσίοις ἔτεσι τοῖς περιοίκοις
προσπολεμήσαντες μεγάλην ἀρχὴν οὐκ ἐκτήσαντο, μέρος δέ τι τῆς Ἰταλίας ὑφ’ ἑαυτοὺς
ποιησάμενοι, καὶ τούτου μετὰ τὴν Ἀννίβα διάβασιν καὶ τὴν ἐν Κάνναις ἧτταν
ἐκπεπτωκότες, αὐτοῖς δὲ τοῖς τείχεσι τοὺς πολεμίους ὁρῶντες ἐπικειμένους, εἰς τοσοῦτον
μέγεθος ἤρθησαν τύχης ὥστε ἐν οὐδὲ ὅλοις τρισὶ καὶ πεντήκοντα ἔτεσιν μὴ μόνον
Ἰταλίαν ἀλλὰ καὶ Λιβύην κατακτήσασθαι πᾶσαν, ἤδη δὲ καὶ τοὺς ἑσπερίους Ἴβηρας
ὑφ’ ἑαυτοὺς καταστῆσαι, ἐπεὶ δὲ τοῦ πλείονος ἐφιέμενοι τὸν Ἰόνιον ἐπεραιώθησαν
κόλπον, Ἑλλήνων τε ἐκράτησαν καὶ Μακεδόνας παρέλυσαν τῆς ἀρχῆς, αὐτόν τε ὃς
τηνικαῦτα τούτων ἐβασίλευε ζωγρίᾳ ἑλόντες εἰς τὴν Ῥώμην ἀνήγαγον. Vgl. zuletzt zur
antiken Rezeptionsgeschichte B. DREYER, Polybios. Leben und Werk im Banne Roms, Hil-
desheim/Zürich/New York 2011, 138–142.
4 Vgl. K. MEISTER, Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Ende
des Hellenismus, Stuttgart 1990, 157–165; O. LENDLE, Einführung in die griechische Ge-
schichtsschreibung, Darmstadt 1992, 223–234.
5 Polybii Historiae rec. F. Hultsch, 4 Bde., Berlin 1-21870–1892; Polybii Historiae ed. Th. Bütt-
ner-Wobst, 5 Bde., Leipzig 1-21889–1905; zur älteren Forschungsliteratur vgl. die Angaben in
K. ZIEGLER, Polybios, in: RE XXI (Stuttgart 1952), Sp. 1440–1578, hier 1441–1444.
6 K. ZIEGLER, Polybios, in: RE XXI (Stuttgart 1952), Sp. 1440–1578.
7 P. PÉDECH, La méthode historique de Polybe, Paris 1964.
8 K.-E. PETZOLD, Studien zur Methode des Polybios und zu ihrer historischen Auswertung,
München 1969.
9 G. A. LEHMANN, Untersuchungen zur historischen Glaubwürdigkeit des Polybios, Münster
1967.
10 K. MEISTER, Historische Kritik bei Polybios, Wiesbaden 1975.
11 D. MUSTI, Polibio e l’imperialismo romano, Neapel 1978.
Einleitung „Polybios und seine Historien“ 9
und zur historiographischen Darstellung von Kenneth S. Sacks (1981).12 Insbe-
sondere die zahlreichen Arbeiten von Frank W. Walbank trugen zu einem besse-
ren Verständnis von Werk und Person bei, an erster Stelle sein umfangreicher
dreibändiger Kommentar zu den Historien (1957–1979).13 In der jüngeren Poly-
biosforschung sind solche umfassenden und grundlegenden Untersuchungen die
Ausnahme geblieben: Zu erwähnen sind Arthur M. Ecksteins Studie über morali-
sche Aspekte bei Polybios (1995),14 Craige B. Champions Studie zur Kulturpolitik
(2004)15 und der Sammelband von Guido Schepens und Jan Bollansée zur Inter-
textualität in den Historien (2005).16 Insgesamt läßt sich die Tendenz beobachten,
dass sich die Forschung zuletzt von übergreifenden Untersuchungen eher ab- und
Detailfragen zuwendet. Die jüngsten und das Werk des Polybios wieder umfas-
sender behandelnden Werke von Brian McGing (2010)17 und Boris Dreyer
(2011)18 gehören zu der heute zahlreichen Einführungsliteratur und fassen trotz
unterschiedlicher Schwerpunktsetzung den Forschungsstand naturgemäß eher
zusammen, als ihn im Detail zu erweitern.
In einem auffallenden Gegensatz zu der nachlassenden Intensivität in der Be-
schäftigung mit Polybios als Historiker steht geradezu eine Hochkonjunktur in der
Hellenismusforschung, die seit etwa einem Vierteljahrhundert unverändert anhält.
Eine ganze Reihe bislang wenig oder gar nicht behandelter Aspekte und Akteure
der Zeit zwischen Alexander dem Großen und der Schlacht bei Actium sind seit-
her in das Blickfeld wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt. Hierbei standen
zuletzt stärker noch als in der älteren Forschung struktur- und kulturgeschichtliche
Aspekte im Mittelpunkt.19 Getragen wird die Intensivierung der Hellenismusfor-
schung vor allem durch die zahlreichen Publikationen neuer Inschriften und Papy-
ri, auf die sich große Teile der Untersuchungen stützen. In vielen Bereichen fand
12 K. S. SACKS, Polybius on the Writing of History, Berkeley/Los Angeles 1981.
13 F. W. WALBANK, A Historical Commentary on Polybius, 3 Bde., Oxford 1957–1979.
14 A. M. ECKSTEIN, Moral Visions in the Histories of Polybius, Berkeley u.a. 1995.
15 C. B. CHAMPION, Cultural Politics in Polybius’s Histories, Berkeley u.a. 2004.
16 G. SCHEPENS, J. BOLLANSÉE (Hrgg.), The Shadow of Polybius. Intertextuality as a Research
Tool in Greek Historiography, Leuven 2005.
17 B. MCGING, Polybius’ Histories, Oxford 2010.
18 B. DREYER, Polybios. Leben und Werk im Banne Roms, Hildesheim/Zürich/New York 2011.
Hinzuweisen ist auch auf die jüngsten Publikationen zum Thema: F. K. MAIER, „Überall mit
dem Unerwarteten rechnen“. Die Kontingenz historischer Prozesse bei Polybios, München
2012; C. SMITH, L. M. YARROW (Hrgg.), Imperialism, Cultural Politics, and Polybius, Oxford
2012.
19 Vgl. die mit umfangreichen Bibliographien ausgestatteten Einführungen und Sammelwerke
von H.-J. GEHRKE, Geschichte des Hellenismus, München 42008; B. MEISSNER, Hellenismus,
Darmstadt 2007; A. ERSKINE (Hrg.), A Companion to the Hellenistic World, Oxford u.a.
2003; G. WEBER (Hrg.), Kulturgeschichte des Hellenismus. Von Alexander dem Großen bis
Kleopatra, Stuttgart 2007; speziell zur Militärgeschichte A. CHANIOTIS, War in the Helle-
nistic World. A Social and Cultural History, Oxford u.a. 2005, und zur Wirtschaftsgeschichte
Z. K. ARCHIBALD, J. K. DAVIES, V. GABRIELSEN (Hrgg.), The Economies of the Hellenistic
Societies, Third to First Century BC, Oxford 2011.
10 Einleitung „Polybios und seine Historien“
dadurch eine immer stärkere Differenzierung und Spezialisierung der Forschung
statt. Stellvertretend für diese Ausrichtung der Forschung mögen hier die Arbeiten
von Philippe Gauthier und Christian Habicht angeführt werden. Beispielhaft steht
auch die stark epigraphisch ausgerichtete regionalgeschichtliche Forschung zu
kleinasiatischen Poleis. Trotz dieser zahlreichen neuen Quellen und Forschungs-
ergebnisse ermöglicht immer noch einzig der Rückgriff auf die Historien des Po-
lybios eine zusammenhängende Rekonstruktion großer ereignisgeschichtlicher
Abschnitte der hellenistischen Epoche.
Der aus dem arkadischen Megalopolis stammende Polybios konnte als zeitge-
nössischer Autor nicht nur aufgrund seiner langen Lebenszeit einen großen Ab-
schnitt der römischen Machtausdehnung im östlichen Mittelmeerraum selbst mit-
verfolgen. Er kannte zudem als Angehöriger der politischen Führungsschicht des
Achaiischen Bundes und als langjährige politische Geisel im römischen Exil die
griechischen wie auch die römischen Verhältnisse in vielfältiger Hinsicht aus ei-
gener Anschauung. Mit seinen Historien verfasste er mithin Universalgeschichte,
die als solche zwar ganz auf die politischen und militärischen Ereignisse kon-
zentriert ist, gleichwohl aber auch Aspekte berührt, die im Fokus der modernen
Hellenismusforschung stehen. Wirtschafts-, Religions- oder auch Kunstgeschichte
werden von Polybios nicht in einem der Politik oder dem Militär vergleichbaren
Maße thematisiert, sind jedoch ebenfalls in seinem Werk präsent. Vor diesem
Hintergrund erklärt sich das Themenspektrum des vorliegenden Bandes, der sich
zudem auf die Welt des griechischen Ostens und damit auf Polybios’ eigentlichen
kulturellen Hintergrund konzentriert. Eine eigenständige und adäquate Diskussion
des vielbehandelten Beziehungsgefüges „Polybios und Rom“ ist angesichts der
thematischen Breite bewusst unberücksichtigt geblieben. Eröffnet wird der Band
von Beiträgen, deren Themen sich bereits die traditionelle Polybiosforschung in
unterschiedlicher Intensität angenommen hat. Auch entspricht es ganz Polybios’
Darstellung mit ihrer Ausrichtung auf Staaten- und Institutionengeschichte, wenn
Beiträge sich mit Fragen von Diplomatie und institutionellen Strukturen beschäf-
tigen. Schließlich werden solche Aspekte behandelt, die in der älteren Polybios-
forschung weit weniger Aufmerksamkeit erfahren haben, mittlerweile in der mo-
dernen Hellenismusforschung jedoch zu zentralen Untersuchungsgegenständen
zählen – und nicht zuletzt für Zeitgenossen in der hellenistischen Welt allgegen-
wärtig waren. Darauf aufbauend ließen sich noch andere, hier nicht weiter berück-
sichtigte Aspekte, wie etwa der Sozialgeschichte oder der Kulturgeschichte, stär-
ker in den Mittelpunkt künftiger Untersuchen stellen und mit den Ergebnissen der
Hellenismusforschung in diesen Bereichen verknüpfen. Die vorliegenden Beiträge
mögen insofern Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen bieten und mit ihren
Ergebnissen dazu beitragen, den Historiker, sein historiographisches Verständnis
und sein Werk noch eingehender zu analysieren.
Trotz der vielfältigen Aspekte, die für das polybianische Werk berücksichtigt
und im Kontext der Hellenismusforschung betrachtet werden können, bleibt letzt-
lich stets der Text des Historikers selbst der Bezugspunkt. Wie mehrere der nach-
folgenden Beiträge zeigen, können in den Historien immer auch noch neue werk-
immanente inhaltliche und semantische Zusammenhänge aufgezeigt oder bereits
Einleitung „Polybios und seine Historien“ 11
bekannte weiter ausdifferenziert werden – eben in diesem Sinne begründet sich
der Titel des vorliegenden Bandes, also Historien keineswegs nur als „Geschich-
te“ zu verstehen, sondern vielmehr in ihrer eigentlichen und von Polybios auch
intendierten Bedeutung des ἱστορεῖν.
Es bleibt den Veranstaltern und Herausgebern die angenehme Pflicht, einen Dank
auszusprechen, der sich zuallerst an die Referenten und hier Beitragenden richtet.
Weiterhin danken wir der Gerda Henkel Stiftung, die die Tagung finanziell geför-
dert hat. Zu deren Gelingen haben ebenso die studentischen Hilfskräfte der Pro-
fessur für Alte Geschichte, die Mitarbeiter der Universitätsverwaltung, das Perso-
nal der Offizierheimgesellschaft und schließlich die zahlreich – auch aus dem
Ausland – erschienenen Zuhörer beigetragen – ihnen allen sei herzlich gedankt.
Volker Grieb Clemens Koehn
Nachtrag
Es entspricht der Natur von Sammelbänden, dass die einzelnen Beiträge zu unter-
schiedlichen Zeitpunkten abgeschlossen werden und nicht in jedem Fall noch die
jüngsten Neuerscheinungen herangezogen werden können. Gänzlich unberück-
sichtigt musste im vorliegenden Fall leider der auf ein Liverpooler Colloquium
zurückgehende und von B. Gibson und Th. Harrison herausgegebene Sammel-
band zu „Polybius and his World. Essays in Memory of F. W. Walbank“ (Oxford
2013) bleiben, der erst nach Abschluss des Gesamtmanuskripts erschien.
POLYBIOS UND DIE UNIVERSALGESCHICHTE
Hans Kloft, Bremen
Im Andenken an Imanuel Geiss (1931–2012)
I.
Am 26. Mai des Jahres 1789 hielt der neuernannte Professor für Geschichte,
Friedrich Schiller, an der Universität Jena seine vielbeachtete und später hochge-
rühmte Antrittsrede: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalge-
schichte?1 Was hier, am Vorabend der Französischen Revolution, vor über 500
erwartungsvollen Zuhörern vorgebracht wurde, war so etwas wie eine Summe der
weltgeschichtlichen Überlegungen, wie sie im 18. Jahrhundert von verschiedenen
französischen und deutschen Gelehrten vorgetragen und propagiert wurden. Die
Überlegungen rekurrierten auf die eine Menschheitsgeschichte, welche sich an-
schickt, die engen nationalen Grenzen hinter sich zu lassen. Sie würdigten die
gewaltigen geographischen Entdeckungen der Neuzeit, die nicht nur als eine Er-
weiterung des Weltbildes zu begreifen waren, sondern als ein anthropologisches
Reservoir, an dem die Entwicklung, und damit der menschliche Fortschritt, die
zunehmende Gesittung der Spezies sich zuverlässig ablesen lässt. Und indem der
Betrachter die aus der Quellenforschung eruierten Einzelteile aussondert und ver-
mittels eines philosophischen, synthetischen Verstandes zu einem harmonischen
Gebilde zusammensetzt, bringt er, wie Schiller sagt, „einen vernünftigen Zweck
in den Gang der Welt und ein teleologisches Prinzip in die Weltgeschichte“ (25).
Der Blick auf „unser menschliches Jahrhundert“ (27), wie es Schiller vindiziert,
lehrt nicht nur, die notwendigen Bausteine der vergangenen Jahrhunderte einzu-
schätzen, sondern erlaubt eine freie und gelassene Sicht auf das universale thea-
trum mundi, auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. So relativiert sich ange-
sichts eines kurzen Lebens die eigene Singularität, und „führt das Individuum
unvermerkt in die Gattung hinüber. Der Mensch verwandelt sich und flieht von
der Bühne; seine Meynungen fliehen und verwandeln sich mit ihm: die Geschich-
1 O. DANN (Hrg.), Friedrich Schiller, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universal-
geschichte?, Stuttgart 2006, mit Nachwort, Bibliographie und zeitgenössischen Dokumenten
(danach zitiert). U. MUHLACK, Schillers Konzept der Universalgeschichte zwischen Aufklä-
rung und Historismus, in: O. Dann u. a. (Hrgg.), Schiller als Historiker, Stuttgart 1995, 5ff.;
E. WIERSING, Geschichte des historischen Denkens, Paderborn 2007, 301ff.