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ZEITSCHRIFT FUR DAS KLASSISCHE ALTERTUM
Im Auftrage des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde
bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Herausgegeben von
WOLFGANG SCHMID • OTTO LUSCHNAT
ERNST GÜNTHER SCHMIDT
Redaktion: Eberhard Rechenberg
Band 112
Heft 3/4
196 8
AKADEMIE^VERLAG*/ BERLIN in Arbeitsgemeinschaft mit der
DIETERICH'SCHEN VERLAGSBUCHHANDLUNG G.m.b.H.
WIESBADEN
INHALT
von Band 112, Heft 3/4
Seite
V. N. JARCHO, Zum Menschenbild der nachhomerischen Dichtung 147
GEORGE L. KONIARIS, On Sappho, Fr. 31 (L.-P.) 173
WOLFGANG LUPPE, Ein mißverstandenes Aristophanesschojion. Rratinos fg 281 K/E 187
ELAINE FANTHAM, Terence, Diphilus and Menander. A re-examination of Terence, Adel-
phoe, Act II ." 196
WALTHER LUDWIG, Anfang und Schluß der Aratea des Germanicus 217
GUDRUN VOGLER, Das neunte Buch innerhalb der Pharsalia des Lucan und die Frage
der Vollendung des Epos 222
D. A. VAN KREVELEN, ZU Hyginus 269
FRIEDRICH WALTER LENZ, Zwei Mißhandlungen des Perikles und des Areopags im
Aristeidestext 276
HANS-JOACHIM DIESNER, Zum vandalischen Post- und Verkehrswesen 282
Miszellen
HANNELORE BARTH, Nochmals Herodot I 8,3 288
JOHN R. GRANT, Thucydides 3.44.2 292
G. M. LEE, A Saying of King Archidamus? 293
H.-O. KRÖNER, Cato, agr. 113,2 294
KURT TREU, Themistios und Leibniz . 297
Eingegangene Druckschriften 302
Register 303
Die Mitarbeiter werden gebeten, die Manuskripte an einen der Herausgeber, Professor Wolfgang Schmid, 5301 Rött-
gen bei Bonn, Am Kottenforst 39, oder Professor Otto Luschnat, 1 Berlin 41, Lessingstr. 4, oder Dozent Ernst
Günther Schmidt, 69 Jena-Nord, Straße des 8. Mai 30, Korrekturen und sonstige geschäftliche Post an Dr. B. Re-
chenberg, Deutsche Akademie der Wissenschaften, 108 Berlin, Otto-Nuschke-Str. 22—23, zu senden und am
Schluß der Manuskripte ihre Adresse stets genau anzugeben. Der Verlag liefert den Verfassern 30 Sonderdrucke
eines jeden Beitrages unentgeltlich. Bestellungen auf weitere Sonderdrucke gegen Berechnung bitten wir spätestens
bei der Übersendung der Korrektur aufzugeben; ihre Bezahlung erfolgt durch Abzug vom Honorar.
Verlag- Akademie-Verlag GmbH, in Arbeitsgemeinschaft mit der Dieterich'schen Verlagsbuchhandlung GmbH,
Wiesbaden; 108 Berlin, Leipziger Str. 3-4, Fernruf 22 04 41, Telex-Nr. 0112020, Postscheckkonto: Berlin
350 21. Bestellnummer der Zeitschrift: 1031/112/3/4. Die Zeitschrift erscheint jährlich in einem Band zu vier
Heften. Bezugspreis je Heft im Abonnement 12, — M zuzüglich Bestellgeld. Einzelheft 12, — M, Preis des Doppel-
heftes 24, — M. Sonderpreis für die DDK 18, — M. Veröffentlicht unter der Lizenznummer 1297 des Presseamtes
beim Vorsitzenden des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Bepublik. Gesamtherstellung: VEB Druckhaus
„Maxim Gorki", 74 Altenburg.
P H I L O L O G US
ZEITSCHRIFT FÜR DAS KLASSISCHE ALTERTUM
Im Auftrage des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde
bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Herausgegeben von
WOLFGANG SCHMID • OTTO LUSCHNAT
ERNST GÜNTHER SCHMIDT
Band 112
1968
AKADEMIEiVERLAG /BERLIN in Arbeitsgemeinschaft mit der
DIETERICH'SCHEN VERLAGSBUCHHANDLUNG G.m.b.H.
WIESBADEN
Die Mitarbeiter werden gebeten, die Manuskripte an einen der Herausgeber, Professor Wolfgang Schmid,
5301 Röntgen bei Bonn, Am Kottenforst 39, oder Professor Otto Luschnat, 1 Berlin 41, Lessingstr. 4, oder Dozent
Ernst Günther Schmidt, 69 Jena-Kord, Straße des 8. Mai 30, Korrekturen und sonstige geschäftliche Post an
Dr. E. Rechenberg, Deutsche Akademie der Wissenschaften, 108 Berlin, 0tto-Nuschke-Str. 22 — 23, zu sen-
den und am Schluß der Manuskripte ihre Adresse stets genau anzugeben. Der Verlag liefert den Verfassern
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18, — M. Veröffentlicht unter der Lizenznummer 1297 des Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates der
Deutschen Demokratischen Republik. Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg.
INHALT
von Band 112
Seite
HANS-JOACHIM DIESNER, Zum vandalischen Post- und Verkehrswesen 282
SANFORD G-. ETHERIDGE, Aristotle's Practical Syllogism and Necessity 20'
ELAINE FANTHAM, Terence, Diphilus and Menander.- A re-examination of Terence,
Adelphoe, Act II 196
DIETER IRMER, Beobachtungen zur Demosthenesüberlieferung 43
V. N. JARCHO, Zum Menschenbild der nachhomerischen Dichtung 147
ALEXANDER KLEINLOGEL, Das Stemmaproblem 63
GEORGE L. KONIARIS, On Sappho, Fr. 31 (L.-P.) 173
D. A. VAN KREVELEN, ZU Hyginus . 269
FRIEDRICH WALTER LENZ, Zwei Mißhandlungen des Perikles und des Areopags im
Aristeidestext 276
WALTHER LUDWIG, Anfang und Schluß der Aratea des Germanicus 217
WOLFGANG LUPPE, Ein mißverstandenes Aristophanesscholion. Rratinos fg. 281 K/E 187
FRANZ QUADLBAUER, Properz 3,1 . .. . 83
GOTTHARD STROHMAIER, Demokrit über die Sonnenstäubchen. Ein neues Fragment in
arabischer Überlieferung 1
GUDRUN VOGLER, Das neunte Buch innerhalb der Pharsalia des Lucan und die Frage
der Vollendung des Epos 222
Miszellen
HANNELORE BARTH, Nochmals Herodot I 8,3 288
J. DAVIES, A Note on the Philosopher's Descent into the Cave 121
T. A. DOREY, Livy XXI-XXV: Codex Oxoniensis, Bibl. Coll. Novi 278 140
JOHN R. GRANT, Thucydides 3.44.2 292
PETER HOWELL, Postis 132
HEINZ GERD INGENKAMP, Die Seele nach Aristoteles, EN 113 126
RUDOLF KEYDELL, Zur Sprache des Epigrammatikers Lukillios 141
H.-O. KRÖNER, Cato, agr. 113,2 294
G. M. LEE, A Saying of King Archidamus? 293
HUGH LLOYD-JONES, Melanippides Fr. 1.1—2 (PAGE PMG 757) 119
JOHN RICHMOND, "-que que-" in Classical Latin Poets 135
ERNST A. SCHMIDT, «tiXaXyjib)?. Zu Theokrit, Idyll IV 131
ERNST GÜNTHER SCHMIDT, Nachtrag zu Epicurea fr. 314/315 Us 129
WESLEY E. THOMPSON, Some Thucydidean Parallels 119
KURT TREU, Themistios und Leibniz 297
Mitteilung 145,302
Eingegangene Druckschriften 145
Register 303
V. N. JABCHO
ZUM MENSCHENBILD DER NACHHOMERISCHEN DICHTUNG*
Während die „Homerische Psychologie" seit BUCHHOLZ im Mittelpunkt
des Interesses schon einiger Gelehrtengenerationen steht1, wurde den Pro-
blemen der Menschendarstellung in der nachhomerischen Dichtung weit
weniger Aufmerksamkeit zuteil2. Beachtung fanden im wesentlichen nur
eine Anzahl Sappho- und Archilochos-Fragmente, auf die wir weiter unten
zurückkommen werden. Und doch ist es — um nur diesen einen Gesichts-
punkt hervorzuheben — unmöglich auseinanderzuhalten, was die grie-
chische Tragödie aus der älteren Dichtung übernommen hat und was sie
selbst an Neuem für die Darstellung menschlicher Seelenvorgänge brachte,
* Für die Übersetzung des Aufsatzes aus dem Russischen danke ich J. ISRAEL (Weimar)
und E. G. SCHMIDT (Jena).
1 E. BUCHHOLZ, Die Homerischen Realien, B. 3, T. 2, Leipzig 1885, 3 — 117. Aus der
Literatur der letzten Jahrzehnte ist hervorzuheben: <I>. <D. 3EJIHHCKHÜ, FoMepOBCKaH
ncHxonorHH (TH. ZIELINSKI, Homerische Psychologie), in: Ü3 TpyßOB pa3pnfla II3HIHHOÜ
CJIOBECHOCTH Pocc. AK. Hayn, Petrograd 1922 (außerhalb der Sowjetunion blieb diese
Arbeit leider völlig unbekannt, obwohl sie in vielem Schlußfolgerungen späterer Veröffent-
lichungen vorwegnahm); J. BÖHME, Die Seele und das Ich im homerischen Epos, Leipzig-
Berlin 1929; B. SNELL, Die Auffassung des Menschen bei Homer, NJbA 1939, 393ff. = Die
Entdeckung des Geistes, 'Hamburg 1955 (11946), 17—42; O. REGENBOGEN, Aaijj.4vi.ov (JJI>XT)<;
cpcos, 1948, jetzt in: Kleine Schriften, München 1961, 1—28; H. FRANKEL, Dichtung und
Philosophie des frühen Griechentums, "München 1962 (*New York 1951), bes. 83—94;
s. ebenda die wertvollen Skizzen über die Entwicklung des Seelenbegriffs in nachhome-
rischer Zeit, 311 f., 605; E. L. HARRISON, Notes on Homeric Psychology, Phoenix 14,
1960, 63—80; A. LESKY, Göttliche und menschliche Motivation im homerischen Epos,
SB Heidelb. Akad. d. Wiss., Ph.-hist. Kl. 1961 Nr. 4; B. H. HPXO, IIpo6jieMa OTBBTCTBGH-
HOCTH H BHyTpGHHHÜ MHp TOMepOBCKOrO HeJIOBeKa, BeCTHHK ApeBHeft HCTOpHH 1963, Nr. 2,
46—64 (s. das Autorreferat in Bibliotheca classica orientalis 10, 1965, 175—179: V. N.
JARCHO, Das Problem der Verantwortung und die Innenwelt des homerischen Menschen).
2 Doch siehe SNELL, Entdeckung, 83 — 117; REGENBOGEN, a. O. 22—26; M. TRETT,
Von Homer zur Lyrik, München 1955, 136—321; F. KRAFFT, Vergleichende Untersuchun-
gen zu Homer und Hesiod Göttingen 1963, 25—58; B. SNELL, Dichtung und Gesell-
schaft, Hamburg 1965, 83—86, 91 f., 101 f., 138f. Unlängst wurde auch ein interessanter
und — soweit mir bekannt — erster Versuch unternommen, die psychologischen Ausdrücke
in der griechischen Tragödie zu untersuchen: T. B. L. WEBSTER, Some Psychological Terms
in Greek Tragedy, JHS 77, 1957, 149 — 154. Doch erhebt diese Analyse keineswegs
Anspruch auf Vollständigkeit in der Erfassung des Materials und ebensowenig auf seine
allseitige Interpretation.
1 Zeitschrift „Philologus" 3/4
148 V. N. JAECHO
ohne auch das Werk ihrer Vorläufer mit gleicher Fragestellung zu unter-
suchen; und da eben nicht nur das Epos Homers, sondern auch die Ver-
bindungsglieder zwischen Epos und Tragödie: Hesiod, die homerischen
Hymnen, die Lyriker. Das soll im folgenden geschehen; es ging mir dabei
nicht um die Vollständigkeit eines Index1, doch sollen möglichst viele
Stellen erfaßt werden, die für eine derartige Untersuchung aussagekräftig
sind. Im einzelnen muß manches Bekannte wiederholt werden, im ganzen
wird sich, hoffe ich, im Verlauf meiner Darlegungen klären, in welchem
Maße in der nachhomerischen Dichtung einerseits „epische" Vorstellungen
und ihnen entsprechende Begriffe und Redewendungen weiterwirken und
in welcher Richtung andererseits die Entwicklung im Verständnis der
psychischen Tätigkeit des Menschen — sowohl in ihren emotionalen als
auch ihren intellektuellen Äußerungen — verläuft2.
1.
In dem uns interessierenden Zeitraum bezeichnet nach wie vor am
häufigsten „Lebenshauch"3 oder — allgemeiner und umfassender — „Le-
ben"; Leben, das sich im Menschen erhält, so lange er atmet. Die Bedeutung
„Lebenshauch" sehen wir deutlich in einem Verse des Simonides: jemand
beweint ein Kind, das schon bald nach seiner Geburt „seinen milden Atem
aushaucht" (y^uxeiav ... ära>7tVE0VTix, fr. 553, vgl. fr. 641).
In der Bedeutung „Leben" findet sich ^u^ in einer größeren Zahl von
Beispielen.
Als Archilochos den Schild verloren hat, freut er sich, daß er dafür sein Leben retten
konnte (4>oy_fv 8' ei;eaa<iiaa, fr. 13, 3). Seine Kampfgenossen und er vertrauen ihr Leben
(
(i)>ux<x<;) dem Spiel der Wellen an (fr. 282; cf. öXla&xi ijju/äc, Hes., fr. 204, 99f. M.-W.).
1 S. jetzt G. FATOUROS, Index verborum zur frühgriechischen Lyrik, Heidelberg 1966.
2 Verweise auf die Lyrikerfragmente werden nach folgenden Ausgaben gegeben: Sappho
und Alkaios: Poetarum Lesbiorum Fragmenta, ed. E. LOBBL et D.PAGE, Oxford 1955;
übrige Meliker: Poetae Melici Graeci, ed. D. L. PAGE, Oxford 1962 (nach der durchgehen-
den Numerierung); Archilochos: Archiloque, Fragments. Texte établi par F. LASSERBE,
traduit et commenté par A. BONNARD, Paris 1958; übrige Iambiker und Elegiker: nach
der 3. Auflage von DIEHL (Leipzig 1949/1952). Die Hesiod-Fragmente wurden von der
Philologus-Redaktion dankenswerterweise auf die mir leider noch nicht zugängliche
Ausgabe von R. MERKELBACH und M. L. WEST (Fragmenta Hesiodea, Oxford 1967)
umgestellt.
3 Einmal begegnet -&u¡xó? in dieser Bedeutung; h. Ap. 361 f.: der vom Pfeil des Phoibos
getroffene Drache atmete seinen verderbenbringenden Lebenshauch aus und ließ ihn ent-
weichen (keim 8e •ikifjtov tpoivóv «.nomeiova). Für den Gebrauch von -&u¡jt.ó<; in der Bedeutung
„Lebenshauch" dürften bestimmte Homerstellen das Vorbild geliefert haben: Xírre S'óaxéa
Od. 3, 445; 11, 221; 12, 414. Vgl. B. SNELL, Die Entdeckung des Geistes, 27f.
Zum Menschenbild der nachhomerischen Dichtung 149
Tyrtaios fordert die Krieger auf, für das Land und für die Kinder zu sterben und ihres
Lebens nicht zu achten (tpuxetov, fr. 6, 14; vgl. ¡rr; (piÄo^uxetTE, fr. 7, 18); Leben (t^u/v;) und
Tod werden auch in einem anderen Fragment (fr. 8, 5f.) einander gegenübergestellt. Für
Hippomenos geht es ums Leben (nepi Hes., fr. 76, 7) in dem Wettstreit mit Atalante.
Ohne sein Leben zu schonen (tpeiScoX'IJV (JJU/T^ oüSejxiav •9-E(XSVOI;), fährt der Mensch über das
Meer, vom Wind getrieben, und sucht nach Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu
finden (Solo, fr. 1, 46), denn inzwischen war das Geld zur Grundlage der Existenz geworden
(Xpr]|j.aTa yap tpu/r], Hes., Op. 6861). Die Piraten fahren durch die Meere und setzen damit
ihr Leben aufs Spiel (t^u/a? Ttap&ejxevoi) — diese Formel übernimmt der Verfasser des
Apollon-Hymnos (Vers 455) entweder direkt aus der Odyssee (3, 74), oder er benutzt
ebenso wie deren Verfasser eine stehende Wortverbindung des Epos. Bei Tyrtaios (fr. 9, 18)
findet sich die Verbindung i^u/ijv ... 7rap-9i[xevoc; ebenfalls mit der Bedeutung »»Leben
Lebenshauch' '2.
Die Überwindung der homerischen Vorstellung von dem Träger
der Lebenskraft sieht man gewöhnlich in dem bekannten fr. 6 des Xeno-
phanes, wo über den pythagoreischen Glauben an die Seelenwanderung
gesprochen wird3. Der Sprechende erkennt in einem jungen Hund an der
Stimme die ^ux^ eines Menschen, der ihm einst teuer war, und ipux^l ist,
so verstanden, etwas Komplizierteres als nur der Atem, der den Menschen
in der Stunde des Todes verläßt. Mir scheint jedoch, daß nach wie vor ^up)
hier als „Lebens"-Prinzip und nicht als Träger der Emotionen aufgefaßt
wird.
Diese letztere Bedeutung erlangt der Begriff <\>u~x;h m. E. erst bei Semoni-
des: wenn der Mensch die Unerfüllbarkeit seiner Hoffnungen eingesehen
hat, soll er bis an sein Lebensende geduldig Mißgeschicke ertragen und
seiner Seele das Gute gönnen, das ihm zuteil wird (^u^i t&v aya^wv rX^ik
Xapi£6[ievo<;, fr. 29, 13). Hier unterscheidet sich (f^X*)1 XaPL^EJ-evo? kaum von
den bekannten homerischen Formeln des Typs ^aipsiv ftuptok u. dgl. Als
Träger der Emotionen, besonders der Liebesleidenschaft, wird tj^X^l auch
bei Anakreon gebraucht: „Junge, ... du erhörst mich nicht, da du nicht
weißt, daß du die Zügel meiner Seele in deinen Händen hältst" (Ö-u t^?
1 Die Deutung dieses Verses bei KR ÄFFT a. 0. 31—34 scheint mir zu weit geführt zu
sein.
2 Die Frage der Echtheit des Tyrtaios-Fragments 9 ist für den vorliegenden Zusammen-
hang unwesentlich; v. 17 — 19 rechnet sogar der zur Skepsis neigende JACOBY (Studien
zu den älteren griechischen Elegikern, Hermes 53, 1918, 31—42 = Kleine philolog. Schrif-
ten, Bd. 1, Berlin 1961, 293—304) zum ältesten Kern der Elegie, den er nicht später als
in den Anfang des 5. Jhs. datiert. WEBSTER a. 0. 150 versteht unter dem Eindruck der
Nähe von 4'UX'*) zu DUJXOV TXTÜAOVIX im Tyrtaios-Vers 18 fälschlich als Organ der Kühn-
heit, Tapferkeit und Standhaftigkeit. Vgl. zur Bedeutung von dujio? an dieser Stelle
unten S.152.
3 B. SNELL, Entdeckung, 36, Anm. 1; O. REGENBOGEN a. O. 22; F. KRAFFT, 31.
1*