Table Of ContentMetaphysik, Skepsis, Wissenschaft
Wolfgang Stegmiiller
METAPHYSIK
SKEPSIS
WISSENSCHAFT
Zweite, verbesserte Auflage
Springer-Verlag
Berlin· Heidelberg. New York 1969
Die 1. Auflage erschien 1954 unter dem Tite! "Metaphysik, Wis
senschaft, Skepsis" im Humboldt-Verlag, Frankfurt/Main - Wi en
ISBN -13:978-3-642-92991-5 e-ISBN -13:978-3-642-92990-8
DOl: 10.1007/978-3-642-92990-8
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nehmigung des Springer-Veri ages iibersetzt oder in irgend einer
Form vervieWiltigt werden.
© Copyright fUr die 2. Auflage by Springer-Verlag, Berlin
Heidelberg 1969. Library of Congress Catalog Card Number
77-81408.
Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1969
Tite1-Nr. 1596
0, welche Flammenschrift brennt mir im Haupte?
"Nidus glauben kannst du, eh' du es nicht weifh,
Nichts wissen kannst du, eh' du es nicht glaubst!"
Ch. D. Grabbe: Don Juan und Faust.
Pourquoi il y a plut8t quelque chose que rien?
G. W. Leibniz: Principe de la nature et de la
gr1ce.
Die Metaphysik ist ohne Zweifel die schwerste unter allen
menschlichen Einsichtenj allein es ist noch niemals eine
geschrieben worden.
I. Kant: Untersuchungen tiber die Deutlich
keit der Grundsatze der nattirlichen Theolo
gie und der Moral.
... Nicht, daB er uns als wahr einleuchtet, sondern daB wir
das Einleuchten gelten lassen, macht ihn zum mathemati
schen Satz.
L. Wittgenstein: Bemerkungen tiber die
Grundlagen der Mathematik.
VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE
Das vorliegende Buch war seit langer Zeit vergriffen.
Zahlreiche Freunde und Unbekannte haben in den letzten
Jahren immer wieder bei mir angefragt, ob das Buch zu
erhalten sei; und jedesmal muBte ich eine verneinende Ant
wort geben. Die Vorschlage, es neu herauszubringen, wur
den immer haufiger, so daB ich mich endlich entschloB, ihnen
nachzugeben.
Nun hat einerseits sowohl bezliglich der behandelten The
men als auch in bezug auf meine eigene Position seit der
ersten Auflage mancher Wandel stattgefunden. Andererseits
war dieses Buch seinerzeit "in einem Zug" geschrieben wor
den, so daB eine detaiHierte Bearbeitung nur ein Flickwerk
erzeugt hatte. Es erschien mir daher zweckmaBiger, den
unveranderten Text nach Korrektur einiger sinnstorender
Druckfehler und Auslassungen drucken zu lassen und eine
neue umfangreiche Einleitung hinzuzufligen. Daraus kann
der Leser besser als durch eine Umarbeitung entnehmen,
"was sich gdindert hat und was sich nicht geandert hat".
In dieser Einleitung wird zu flinf Problemgebieten neu
erlich SteHung genommen: zum Evidenzproblem; zum On
tologie- und Universalienproblem; zum Problem der Skep
sis; zur Philosophie der Logik und Mathematik; und schlieB
lich zum Basisproblem. An einigen Stell en habe ich dabei
neben einer Berlicksichtigung der neuesten Literatur auch
skizzenhafte philosophiegeschichtliche Rlickblicke eingefligt.
So entschlieBe ich mich denn, wenn auch mit etwas ge
mischten Geflihlen, dieses Buch, gleichsam als kleinen Tra
ban ten zum ersten Band meiner Wissenschaftstheorie, auf
seine zweite Reise zu schicken.
Lochham, im Miirz 1969
Wolfgang Stegmliller
VII
VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE
Unter allen philosophischen Problemen ist die Frage nach
der Metaphysik die grundlegendste. Sie ist bis heute offen
geblieben. 1st Metaphysik moglich? 1st sie vielleicht not
wendig? 1st sie unhaltbar? 1st sie etwa gar sinnlos?
Es soil hier weder ein Nachweis fiir die "Moglichkeit"
oder "Notwendigkeit" der Metaphysik erbracht, noch soli
ein metaphysisches System entworfen werden. Ebensowenig
aber wird ihre Unhaltbarkeit oder "Sinnlosigkeit" bewiesen.
Wir werden vielmehr zeigen, dag eine Antwort auf die
Frage nach der "Moglichkeit der Metaphysik" unmoglich
ist. Das Problem der Metaphysik ist absolut unentscheidbar.
Diese Situation wird erregend, sobald man erkennt, dag
es sich hierbei nicht um eine "interne philosophische Un
annehmlichkeit" handelt. Aile wissenschaftliche Tatigkeit,
von den "wirklichkeitsnahen" Tatsachenbeobachtungen bis
zur Konstruktion abstraktester Kalkiile, beruht auf meta
physischen Fundamenten. Aber sind dies wirklich Funda
mente?
Kann man nicht versuchen, ein letztes Fundament alles
Wissens, des metaphysischen und des nichtmetaphysischen,
dadurch zu gewinnen, dag man den Gegenstandspunkt ad
absurdum fiihrt? Seit alters her ist versucht worden, durch
Nachweis des "Widersinns" der Skepsis oder durch einen
sich nachher selbst aufhebenden "methodischen Skeptizis
mus" zu einem solchen Erfolg auf indirektem Wege zu
kommen. Satze werden aber nicht dadurch wahr, dag sie
wahrend einer hinreichenden Zahl von J ahrhunderten oder
Jahrtausenden standig wiederholt werden. Die These von
der Absurditat oder dem kontradiktorischen Charakter des
skeptischen Standpunktes ist unhaltbar.
Es kann von Wichtigkeit werden, zu wissen, wo die
Grenze liegt, an der die philosophische Diskussion aufhort,
VIII
VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE
sinnvoll zu sein. Es ist der Punkt, wo jede denkbare Theorie
"mit ihrer Weisheit zu Ende ist" und die personliche Ent
scheidung einsetzen muB.
Oxford, im Friihjahr 1954
Wolfgang Stegmiiller
IX
INHALTSVERZEICHNIS
NEUE EINLEITUNG 1969: NACH 15 JAHREN.
1. Zur Evidenz . . . . . . 1
2. Zur Skepsis. . . . . . . . . . 33
3. Zum Ontologie- und Universalienproblem sowie zur
Philosophie der Logik und Mathematik . . 48
4. Zum Basisproblem der Erfahrungserkenntnis 64
OBERSICHT . . . . • . . . . 73
I. DAS PROBLEM DER METAPHYSIK 83
1. Der Begriff der Metaphysik . 83
2. Metaphysik und Sprache. . 112
Metaphysik und logische Grammatik . 114
Erkenntnisgrenzen und Sprache. . . 126
Phanomenalismus, Physikalismus und "transzenden-
te" Begriffe . . . . . . 128
3. Die Logik des Seinsproblems . 134
Das Problem . . . . 134
Das Nichtsein. . . . . . 137
Spharen- und Modalitatenzauber 139
Teileliminationen des ontologischen Problems. 144
Die Grenze der ontologischen Indifferenz .. 148
Platonismus und Realismus . . . . . .. 150
Positivistische und metaphysische Einstellung zum
Seinsproblem . . . . . . . . . 158
4. Das Problem der Evidenz . . . . 162
Das Evidenzproblem im allgemeinen . 162
Se1bstanwendung . . . . . . . 174
Philosophische Stimmen zum Evidenzproblem . 176
Evidenztauschung und Evidenzschichten . 195
Evidenz und Ethik. . 200
Evidenz und Weltsinn. . . . 208
Evidenz und Religion. . . . 210
Evidenz und Existenzphilosophie 213
5. MogUchkeiten der Metaphysik . 217
II. DIE PHILOSOPHISCHEN GRUNDLAGEN DER LOGIK UND
MATHEMATIK. . 222
1. Einleitende Betrachtungen . . . . . . . . . 222
XI
INHALTSVERZEICHNIS
2. Der logizistische Au/bau der Mathematik . . . . 245
3. Erkenntnistheoretische und metaphysische Erorterung
des logizistischen Grundlegungsversuchs. . . . . 262
4. Intuitionismus und Formalismus . . . . . . • 272
5. Erkenntnistheoretische und metaphysische Erorterung
des intuitionistischen und /ormalistischen Grundle
gungsversuchs. . . . . . . . . . . . . . 298
III. OB]EKTIVE OOER KONVENTJONELLE BASIS OER ERFAH-
RUNGSERKENNTNIS? ...... 308
V orbemerkung . . . . . . . . . . . 308
1. Die drei Probleme der Er/ahrungserkenntnis 309
2. Basisproblem und synthetischer Apriorismus 315
3. Die Begriffe "objektive" und "konventionelle" Basis 317
4. Axiomatische Grundlegung . . . . . . .. 320
5. Die konventionelle Basis und ihre Konsequenzen. 326
6. Die objektive Basis und ihre Konsequenzen 330
7. Die Paradoxie der Er/ahrungskenntnis . . 334
8. Metaphysik der Er/ahrung . . . . . . 335
9. Philosophische Stimmen zum Basisproblem . 345
IV. OAS PROBLEM OER SKEPSIS . . 374
1. Indirekte Erkenntnisgarantie 374
2. Universalskepsis . 377
3. Logische Skepsis. . 399
4. Empirische Skepsis . 409
a) Grundlagenskepsis 409
b) Ablehnung genereIIer Aussagen (»Prognosenskepsis") 412
c) Induktionsskepsis . . . . . . . .. 417
5. Metaphysische Skepsis. . . . . . . .. 431
a) Skepsis gegeniiber Transzendenzmetaphysik 431
b) Skepsis gegeniiber Immanenzmetaphysik 441
c) Ethische Skepsis. . . . . 446
6. Implikationsverhiiltnis zwischen den verschiedenen
Arten der Skepsis 447
EPILOG 450
NAMENSREGISTER 457
SACHREGISTER 458
XII
NEUE EINLEITUNG 1969: NACH 15 JAHREN
1. Zur Evidenz
Von den Oberlegungen des ersten Teiles haben, wie nicht
anders zu erwarten war, vor allem die Betrachtungen zum
Begriff der Einsicht oder Evidenz zu den heftigsten polemi
schen Reaktionen gefuhrt, wobei diese Reaktionen in vollig
divergierende Richtungen gingen: angefangen von den Ver
sicherungen, daft es sinnlos sei, an echter Einsicht zu zwei
feln, bis zu den radikal gegenteiligen Versicherungen, daft
"Einsicht", "Evidenz" u. ahnl. Terme sinnlose Begriffe bzw.
W orter seien.
Ein Grund sowohl fur die Mannigfaltigkeit heterogener
Reaktionen wie fur die Heftigkeit, mit der sie vorgetragen
wurden, durfte darin zu suchen sein, daB der Problem
komplex gewohnlich nicht unter dem von mir hervorgeho
benen Gesichtspunkt zu Ende gedacht zu werden pflegt,
namlich unter dem Aspekt "quid iuris", sondern eher unter
dem von mir ausgeklammerten Aspekt "quid facti" (der
letztere kann sicherlich zu Differenzierungen fUhren, welche
in anderen Kontexten wertvoll und wichtig sind).
Ein anderer Grund durfte darin liegen, daB die Konse
quenz, zu der ich gelange, bei jed em Wissenschaftler und
Philosophen Unbehagen hervorzurufen geeignet ist, gleich
gultig, wo der Betreffende steht: Der auf sein Spezialge
biet konzentrierte wissenschaftliche Fachmann (Mathemati
ker, Historiker, Naturwissenschaftler) hort nicht gern, daft
fundamentale V oraussetzungen seiner Denktatigkeit meta
physischer Natur sind; der Metaphysiker hort nicht gern,
daft seine geistige Tatigkeit auf einer vorrationalen Urent
scheidung beruht; Philosophen aller Varianten, auBer Skep
tikern, horen nicht gern, daft die ernst zu nehmenden Ar
ten der Skepsis unwiderleglich sind; schlieBlich nehmen
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