Table Of ContentHANDBUCH DER PHYSIK
UNTER REDAKTIONELLER MITWIRKUNG VON
R. GRAMMEL-STUTTGART· F. HENNING-BERLIN
H. KONEN-BONN· H. THIRRING-WIEN . F. TRENDELENBURG-BERLIN
W. WESTPHAL-BERLIN
HERAUSGEGEBEN VON
H. GEIGER KARL SCHEEL
UND
BAND XV
MAGNETISMUS
ELEKTROMAGNETISCHES FELD
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1927
MAGNETISMUS
ELEKTROMAGNETISCHES FELD
BEARBEITET VON
E. ALBERTI . G. ANGENHEISTER . E. GUMLICH
P. HERTZ· W. ROMANOFF· R. SCHMIDT· W. STEINHAUS
S. VALENTINER
REDIGIERT VON W. WESTPHAL
MIT 291 ABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1927
ISBN-13:978-3-642-88927-1 e-ISBN-13:978-3-642-90782-1
DOl: 10.10°7/978-3-642-9°782-1
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1927 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER XST EDITION 1927
Inhaltsverzeichnis.
A. Magnetismus.
Kapitel 1. Seite
Magnetostatik. Von Professor Dr. P. HERTZ, Gottingen. (Mit 24 Abbildungen.)
I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1
II. Konstante Permeabilitat . . . . . . . . . . . . 4
a) Standpunkt der Fernwirkungstheorie. Permeabilitat = 1 4
b) Standpunkt der Fernwirkungstheorie. Permeabilitat nicht iiberall = 1 59
c) Standpunkt der Nahewirkungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . 78
III. Keine Proportionalitat zwischen induzierter Magnetisierung und Feldst1i.rke 96
a) Die induzierte Magnetisierung ist eine eindeutige Funktion der Feldstarke 96
b) Die Magnetisierung keine Funktion der Feldstarke. Hysteresis. . :. 105
Kapitel 2.
Magnetische Felder von Stromen. Von Professor Dr. P. HERTZ, Gottingen.
(Mit 2 Abbildungen.) . . . . .. ..... . . . . . .. 114
Kapitel 3.
Die magnetischen Eigenschaften der Korper. Von Dr. W. STEINHAUS, Berlin.
(Mit 55 Abbildungen.). . . . . 147
1. Einleitung. . . . . . . . . . 147
II. Dia- und Paramagne~ismus . . 149
a) Die Dia- und paramagnetischen Erscheinungen . 149
b) GesetzmaBigkeiten . . . . . . . . . . . . . 152
c) Die Theorien des Dia- und Paramagnetismus 155
III. Ferromagnetismus . . . . . . . . . . 164
a) Einleitung . . . . . . . . . . . . 164
b) Die ferromagnetischen Erscheinungen 169
c) Abhangigkeit der Magnetisierung von der Zeit 186
d) Abhangigkeit der Magnetisierung von der Temperatur 189
e) Beziehungen zwischen mechanischen und magnetischen Vorgangen 196
f) Die Theorien des Ferromagnetismus. . . . . . . . . . . . . . 207
Kapitel 4.
Ferromagnetische Stoffe. Von Professor Dr. E. GUMLICH, Berlin. (Mit 29 Abbildungen.) 222
I. Eisen ............ . 223
a) Allgemeines . . . . . . . . . 223
b) Reinstes Eisen; Elektrolyteisen 230
c) Technisch weiches Eisen 233
d) GuBeisen . . . . . . . . . . 236
e) Stahl ........... . 237
f) Legierungen von Eisen mit nicht ferromagnetischen Stoffen 247
II. Nickel, Kobalt, Mangan. . . 253
III. Legierungen ferromagnetischer Stoffe . 254
a) Eisen-Nickel-Legierungen . 254
b) Eisen-Kobalt-Legierungen 259
c) Nickel-Kobalt-Legierungen 260
d) HEUSLERsche Legierungen 261
e) Ferromagnetische Kristalle 266
VI Inhaltsverzeichnis.
Kapitel 5. Seite
Erdmagnetismus. Von Professor Dr. G. ANGENHEISTER, Potsdam. (Mit 30 Abbildungen.) 271
I. Das permanente Feid. . . . . . . . . . . . . 272
a) Die Beobachtungsergebnisse .... . . . . 272
b) Formale Analyse del' Beobachtungsergebnisse 280
c) Die physikalische Natur des permanenten Feides und seiner sakularen
Variation . . . 295
II. Das Variationsfeld 301
III. Das Storungsfeld 307
B. Das elektromagnetische Feld.
Kapitel 1-
Elektromagnetische Induktion. Von Professor Dr. S. VALENTINER, Clausthal.
(Mit 22 Abbildungen.). . . . . . . . . . . . . . . . 321
a) Grundiegende Tatsachen und allgemeine TheOl'ie . . . 321
b) Induktion in ruhenden, linearen, geschlossenen Leitern 336
c) Induktion in bewegten, linearen geschlossenen Leitern 349
d) Induktion bei Bewegung von Nichtieitern im Kreis. 356
e) Induktion in korperlichen Leitern. . . . 359
f) Magnetischer Strom . . . . . . . . . . 366
g) Zeitlicher Veriauf von Induktionsstromen 368
h) Anhang. . . . . . . . . . . . 378
Kapitel 2.
Wechselstrome. Von Dr. R. SCHMIDT, Berlin. (Mit 68 Abbildungen.) 381
a) Einwellige Wechseistrome 381
b) Mehrwellige Strome 404
c) Mehrphasen- W echseistromsysteme 428
d) Ausgieichsvorgange in quasistationaren Stromkreisen 437
Kapitel 3.
Elektrische Schwingungen Von Dr. E. ALBERTI, Berlin. (Mit 40 Abbildungen.) 451
1. Schwingungen in geschlossenen Kreisen (Kondensatorkreisen) 452
a) Eigenschwingung eines einzelnen Kreises. . . . . . . . 452
b) Eigenschwingnngen zweier gekoppelter Kreise. . . . . . 456
c) Gekoppelte Systeme unter del' Einwirkung von Schwingungserzeugcrn 471
d) Schwingungskreise mit Eisenkernspulen 474
II. Schwingungen in offen en Kreisen 478
a) Einfache \Vechselstromtheorie del' Schwingungen nicht quasistationarer
Kreise (KIRCHHOFF) . . . .. ....... . ....... 478
b) MAXWELL-SOMMERFELDsche Thcorie del' Schwingungen nichtquasistationarer
Kreise . . . . . . . . . . . ............... 488
Kapitel 4.
Die Dispersion und Absorption elektrischer Wellen. Von Professor Dr. \V. ROMANOFF,
Moskan. (Mit 21 AbbiIdnngen.) . . . . . .. ........... 491
a) Theoretische Grnndlagen del' Dispersion im elektrischen Spektrum 491
b) Die experimentellen Methoden . . . . . . . . . . . . . 501
c) Die experimentellen Ergebnisse mit stark gedampften Wellen . 510
d) Die experimentellen Ergebnisse mit schwaeh gedampften Wellen 514
e) Die experiment ellen Ergebnisse mit ungedampften \Vellen . 523
£) Vel'gieich del' experimentellen Ergebnisse mit den Theol'ien 523
Sachvel'zeiehnis 529
A11gemeine physikalische Konstanten
(September 1926) 1).
a) Mechanische Konstanten.
Gravitationskonstante. . . . 6,65 ,10-8 dyn. em2 • g-2
N ormale Schwerebeschleunigung . . . 980,665 cm . sec -2
Sehwerebeschleunigung bei 45° Breite 980,616 em· see-2
1 Meterkilogramm (mkg). . 0,980665 • 108 erg
Normale Atmosphare (atm) 1,013253 ,106 dyn. em-2
Teehnisehe Atmosphare . . 0,980665 . 106 dyn . em -2
Maximale Diehte desWassers bei 1 atm 0,999973 g . em -3
Normales spezifisehes Gewieht des Queeksilbers 13,5955
b) Thermisehe Konstan ten.
Absolute Temperatur des Eispunktes . 273,200
Normales Litergewicht des Sauerstoffes 1,42900 g .1-1
Normales Molvolumen idealer Gase. . j2 2,4145 .103 em3
0,82045 • 102 ema-atm . grad -1
Gaskonstante fUr ein Mol . . 0,83132 • 108 erg. grad-1
· 0,83090' 101 int joule. grad-1
j1 ,9858 cal. grad-1
4,184 int joule
2
Energieaquivalent der 15°-Kalorie (cal) . . . . 1,1623 . 10 -6 int k-watt-st
· 4,1863 ·107 erg
4,2688 • 10 -1 mkg
c) Elektrische Konstanten.
1 internationales Ampere (int amp) . . . 1,00000 abs amp
1 internationales Ohm (int ohm) . . . . . 1,00050 abs ohm
Elektroehemisehes Aquivalent des Silbers . 1,11800· 10-3 g . int coul-1
Faraday-Konstante fUr ein Mol und Valenz 0,96494' 10" int coul
Ionisier.-Energiejlonisier.-Spannung. . . . . 0,96494 • 105 int joule. int volt-1
d) Atom- und Elektronenkonstanten.
Atomgewicht des Sauerstoffs. . 16,000
Atomgewieht des Silbers. . . . 107,88
LOSCHMIDTsche Zahl (fur 1 Mol) 6,061 • 1023
BOLTZMANNsehe Konstante k. . 1,372.10-16 erg· grad-1
'/16 der Masse des Sauerstoffatoms 1,650.10-2• g
1,592' 10-19 int eoul
Elektrisehes Elementarquantum e . {4,774 .10-10 dyn'/,. em
Spezifisehe Ladung des ruhenden Elektrons elm 1, 766 • 108 int eoul . g-l
Masse des ruhenden Elektrons m. . . 9,02 . 10-28 g
Gesehwindigkeit von 1-Volt-Elektronen . 5,945 , 107 em· scc-1
Atomgewieht des Elektrons . . . . 5,46 . 10 -4
e) Optische und Strahlungskonstanten.
Liehtgesehwindigkeit (im Vakuum) . . . . .. 2,998 .10'0 em· see-1
5
\Vellenlange der roten Cd-Linie (1 atm, 150 C). 6438,47°0 . 10 -8 cm
RYDBERGsehe Konstante fur unendl. Kernmasse 109737,1 cm-1
SOMMERFELDsche Konstante der Feinstruktur. 0,729 . 10-2
STEFAN-BoLTZMANNsehe Strahlungskonstante (i • · { 15,, 73704. 1•0 1--01-21 2i ncta wl. actmt. -e2m • se2c. -g1 r•a gdr-a4d -4
Konstante des \VIENsehen Versehiebungsgesetzes. 0,288 cm . grad
VVIEN-PLANcKsehe Strahlungskonstante c2 • " 1,43 cm . grad
f) Quantenkonstanten.
PLANCKsehes Wirkungsquantum It . . . . . . 6,55' 10-27 erg. sec
Quantenkonstante fur Frequenzen (J = Itlk 4,775 • 10 -11 sec. grad
Dureh 1-Volt-Elektronen angeregte Wellenlange 1,233' 10-4 em
Radius der Normalbahn des H-Elektrons 0,529' 10-8 em
') Erlauterungen und Begrundungen s. Rd. II d. Handb. Kap. 10, S.487-518.
A. Magnetismus.
Kapitel1.
Magnetostatik.
Von
P. HERTZ, G6ttingen.
Mit 24 Abbildungen
I. Vorbemerkungen.
1. Gegenstand der Magnetostatik. In dem Kapitel iiber Magnetostatik
soil von der Wirkung ruhender magnetischer Korper die Rede sein. Ihre sicht
baren Wirkungen bestehen vor ailem in Bewegungsanderungen von Eisen-,
Nickel-, Kobaltstiicken, in geringerem MaBe in Bewegungsanderungen auch be
liebiger anderer Korper. Die Darsteilung dieser Bewegungserscheinungen notigt
zur EinfUhrung des Begriffes "magnetische Feldstarke", der zunachst als ein
ideales Element eingefUhrt wird, von dem wir aber annehmen, daB ihm eine
physikalische Realitat entspricht. Es wird un sere Aufgabe sein, zu ermitteln,
wie diese GroBe mit der fiir den Magneten charakteristischen GroBe zusammen
hangt, mit dem magnetischen Quantum oder der magnetischen Ladung.
Zur Darstellung dieser Abhangigkeit ist die EinfUhrung eines anderen Be
griffes, die EinfUhrung der magnetischen Induktion, von Nutzen. Spater werden
wir sehen, daB der Induktion eine selbstandige Bedeutung zukommt. Somit
konnen wir es als Aufgabe der Magnetostatik bezeichnen, die Abhangigkeit
anzugeben, in der die magnetische Feldstarke und Induktion zu den magnetischen
Quanten ruhender magnetischer Korper stehen.
2. Quellen- und Wirbeltheorie. Bei der Behandlung dieses Gebietes liegt
besondere Veranlassung zu methodologischen Erwagungen vor.
1m allgemeinen kann ein Wissensgebiet induktiv oder deduktiv behandelt
werden; aber die zweite Darstellungsart wird nur im AnschluB an die erste, die
unentbehrlich ist, befriedigen. In der deduktiven Darstellung gehen wir von
ailgemeinen Prinzipien aus; diese sind entweder so gewahlt, daB moglichst wenige
von ihnen erforderlich sind, oder nach einem sachlicheren Gesichtspunkt. Bei
der induktiven Darstellung kommt es darauf an, erst die Uberzeugung von der
Giiltigkeit der oberst en Satze durch geeignete Erfahrungssatze herbeizufUhren.
Dabei konnen wir erstens dem historischen Weg folgen, zweitens aber von anderen
als den historisch zuerst gewonnenen Erfahrungen zu den allgemeinen Gesetzen
aufsteigen.
Eine Abweichung von der historischen1) Darstellung wird in Frage kommen,
wenn man durch sie rascher zu den elementaren und ailgemeinen Satz:en gelangt,
1) D. h. der Darstellung, die sich an die historische Entwicklung anschlieJ3t und auJ3er
dem die traditionelle Darstellung ist.
Handbuch der Physik. XV.
2 A. Kap. 1. P. HERTZ: Magnetostatik. Ziff. 3, 4.
aus denen deduktiv die Satze unseres Gebietes abgeleitet werden konnen. Dies
ist wohl der Grund, weshalb jetzt vielfach die Ansicht verbreitet ist, die bisher
iibliche Behandlung, die von der Quellendarstellung des Magnetismus aus
geht, sei durch eine andere zu ersetzen, in der von der Wirbel~arstellung
ausgegangen wird. Richtig verstanden darf aber auch die erste nicht als falsch
bezeichnet werden1).
Obwohl jedoch die Vorziige der zweiten nicht bestritten werden konnen,
habe ich mich fiir die Darstellung im Handbuch nicht zu einer Abweichung
von der iiblichen Behandlung entschlieBen k6nnen. Wir wollen uns also dieser
anschlieBen, doch auch auf die andere· kurz hinweisen.
3. Zwei Einteilungsprinzipien. Noch in einer anderen Hinsicht sind zwei
Darstellungen moglich; da wir beide geben wollen, ist hiermit ein Einteilungs
prinzip gewonnen.
Abgesehen von zu Boden fallenden Korpern, HiBt sich fiir die meisten Be
wegungs1inderungen, die wir im tagliehen Leben zu beobaehten Gelegenheit
haben, die Ursaehe sofort in anderen Korpern erkennen, die entweder jene be
riihren oder mit ihnen dureh Vermittlung anderer Korper in materielle Verbindung
treten. Demgegeniiber seheinen Magnete und elektrisierte K6rper das Eigentiim
liehe zu haben, daB sie in die Ferne wirken, und zwar sofort. Ob indes die Wirkung
Zeit braucht oder nieht, ist eine Tatsaehenfrage, zu deren Entseheidung rohe Ver
suche natiirlieh nieht ausreiehen. Dagegen zeigt die genauere Uberlegung, daB der
Begriff einer n ur vermittelten Wirkung sich von dem einer teilweise unver
mittelten Wirkung nieht trennen HiBt. Dennoch ist jeder der beiden seheinbar
entgegengesetzten Auffassungen eine besondere Darstellungsart angepaBt; ent
weder wir gehen vom Integralgesetz aus und leiten daraus das Differentialgesetz
ab, wie es der Fernwirkungstheorie entsprieht, oder wir gehen den umgekehrten
Weg. Der Vollstandigkeit halber wollen wir beide Darstellungen geben.
Mit-dieser Einteilung kreuzt sich eine andere. Die Erseheinungen des Magne
tismus sind sehr verwiekelt, aber gewisse Grenzf1ille gestatten eine einfaehere
Behandlung. Es liegt nahe, von dem speziellsten Grenzfall ausgehend, zu immer
allgemeineren Annahmen fortzuschreiten. Um diesesEinteilungsprinzip mit dem
vorhin besproehenen zu verbinden, verfahren wir so, daB wir in einem ersten
Hauptteil die ersten beiden Stufen der Allgemeinheit einnehmen, und zwar in
zwei Abschnitten fUr den Standpunkt der Fernwirkungstheorie erst die spezielleren,
dann die allgemeineren Annahmen zugrunde legen, und sodann in einem dritten
Absehnitt die entspreehende Darstellung vom Standpunkt der Nahwirkungs
theorie geben. 1m zweiten Hauptteil behandeln wir dann vom Standpunkt der
Nahwirkungstheorie die beiden letzten Stufen der Allgemeinheit.
4. Fernwirkungstheorie und Nahwirkungstheorie. Schon ganz rohe Beob
achtungen seheinen zu zeigen:
1. daB die magnetischen (elektrisehen) Wirkungen keiner Vermittlung be
diirfen;
2. daB sie keine Zeit brauehen.
Das ist der Standpunkt der Fernwirkungstheorie.
Natiirlieh kann aber von einer Wirkung im eigentlichen Sinne nur die Rede
sein, insofern wir aueh die Zustande vor der Herstellung der zu betrachtenden
Anordnungen in Betracht ziehen. Ob dann die Ausbreitung der Wirkung Zeit
1) J ede Behandlung des Gebietes muB, wenn sie vollstandig sein will, von beiden Dar
stellungsarten Gebrauch machen. Es kann sich also nicht um eine Entscheidung zwischen
Quellentheorie und Wirbeltheorie handeln, sondern nur darum, ob wir unser empirisches
Ausgangsmaterial so wahlen, daB wir zuerst zu der einen oder zuerst zu der anderen Dar
stellung gelangen. Ubrigens sind geschlossene "Molekularstrome" auch Idealisierungen.
Ziff. 5. Fernwirkung und Nahwirkung. 3
braucht oder nicht, ist eine Tatsachenfrage; die Entscheidung ist aber ohne Be
lang fUr die Darstellung der Magnetostatik. Ubrigens ist auch der Begriff
der Fortpflanzungsgeschwindigkeit, falls man nicht unstetige Vorgange betrachtet,
einigermaBen mit Willkiir behaftet.
Was nun den ersten Punkt betrifft, so ist es auch eine Tatsachenfrage, ob
zwischen den ponderablen Korpern sich Vo rgange abspielen, die als die Wirkungen
zwischen jenen vermittelnd in Betracht kommen k 0 n n ten. Die Auffassung,
daB es solche Vorgange nich t gibt, wird jedenfalls rus Fernwirkungstheorie zu
bezeichnen sein. Gibt es sie aber, so konnte trotzdem von Fernwirkung die Rede
sein, wenn man in jenen Vorgangen eine Vermittlung nicht sehen will und auch
die Auffassung hat, daB an jeder Stelle des Feldes die Feldstarke durch un
vermittelte Fernwirkung entsteht bzw. geandert wird. Zwischen Fernwirkungs
theorie - in diesem Sinne - und Nahwirkungstheorie besteht also kein sachlicher
Gegensatz.
Dagegen kann unterschieden werden zwischen zwei Betrachtungsweisen,
je nach den Zusammenhangen, die man zugrunde legt, urn aus ihnen die andern
abzuleiten.
So konnen wir vom Integralgesetz zum Differentialgesetz, ebensogut
aber auch den umgekehrten Weg gehen. Beider Darstellungsarten wollen
wir uns hier bedienen. Es ist aber zu beachten, daBo der experimentelle
Ausgangspunkt naturgemaB ein Integralgesetz sein muB. Von einer Nah
wirkungstheorie wird daher im zuletzt erklarten Sinne nur insofern geredet
werden konnen, als, nachdem die Theorie von Ferngesetzen ausgegangen
ist, das Gebiet noch einmal in anderer logischer Ordnung dargestellt
wird.
Der Ubergang von der Integraldarstellung zur Differentialdarstellung ist
wichtig, weil die Erfahrung Integralgesetze liefert, manche Probleme aber
am einfachsten mit Hilfe der Differentialdarstellung gelost werden (siehe
z. B. Ziff. 62). Der umgekehrte Ubergang ist nutzlich aus folgendem Grund:
Unter gewissen speziellen Voraussetzungen - Fall 1 und 2, Ziff. 5 - kann
der Eindeutigkeitsbeweis sehr einfach - wenn das auch nicht die einzige
Art ist - dadurch gefUhrt werden, daB man allgemein fUr diese Voraus
setzungen den Ubergang vom Differentialgesetz zum Integralgesetz vollzieht
(Ziff. 60).
5. Vier Stufen del' Allgemeinheit. Als erste Aufgabe der Magneto
statik kann es angesehen werden, die Wirkung von Magneten auf andere
Korper, z. B. Eisen-, Nickel-, Kobaltstucke, auch andere Magnete, zu be
stimmen. Ais Hilfsbegriff, zur Losung dieser Aufgabe fUhren wir den Begriff
der magnetischen Feldstarke ein, der aber auch fUr andere Aufgaben eine
Rolle spielt, und von dem wir annehmen, daB ihm eine physikalische Realitat
entspricht.
Urn die Feldstarke aus der Anordnung der Magnete zu berechnen, wird aber
die EinfUhrung noch eines anderen Begriffes erforderlich, des Begriffes der ma
gnetischen Induktion. Auch der Induktion kommt wieder eine Bedeutung un
abhangig von dieser besonderen Aufgabe zu.
Urn die Probleme der Magnetostatik losen zu konnen, mussen wir also den
Zusammenhang von Induktion und Feldstarke kennen.
In bezug auf diese Abhangigkeit konnen wir 4 Falle unterscheiden:
1. Die Induktion ist gleich der Feldstarke.
2. Die Induktion ist proportional der Feldstarke.
3. Die Induktion ist eine eindeutige Funktion der Feldstarke.
4. Die Induktion ist durch die Vorgeschichte der Feldstarke bestimmt.
1*
4 A. Kap. 1. P. HERTZ: Magnetostatik. Ziff. 6.
Fiir permanente Magnete tritt an Stelle von 1. und 2. em anderes Ab
hangigkeitsgesetz, das spater angegeben werden wird 1).
Diese FaIle bilden eine Reihe von wachsender Allgemeinheit.
Der erste Fall ist nicht fUr das ganze Feld, sofern es nicht von Stromen er
zeugt wird (Kap. 2), zu realisieren. Man kann es aber so einrichten, daB der Teil
des Raumes, fUr die jene Bedingung nicht erfiillt ist, sehr klein wird.
Auch wenn das nicht zutrifft, so gilt doch noch unter gewisser Voraussetzung
ein Teil der GesetzmaBigkeiten, die gelten wiirden, wenn der erste Fall unserer
Einteilung streng realisiert ware. Wir wollen mit ihrer Besprechung den Anfang
machen, ohne uns auf die allgemeine Theorie zu beziehen, wie das in der obigen
Einteilung schon geschehen ist. Nur in den Dberschriften der Abschnitte soIl
diese Beziehung zur Geltung kommen.
II. Konstante Permeabilitat.
a) Standpunkt der Fernwirkungstheorie. PermeabilWit = 1.
6. Grundtatsachen; Qualitatives. Schon den Alten war bekannt, daB ge
wisse Eisenerze die Eigenschaft besitzen, kleine Eisenteilchen anzuziehen und
festzuhalten. Nach ARISTOTELES solI bereits THALES v. MILET (627-547 V. ChI.)
diese Kenntnis besessen haben. Der Magnetstein erhielt seinen N amen von der
Stadt Magnesia in Karien, wo er gewonnen wurde. Als eigentlicher Begriinder
der magnetischen Wissenschaft kann erst GILBERT 2) gelten. Die quantitative
Erforschung der Gesetze des Magnetismus setzt mit COULOMB3) ein.
Das wichtigste natiirlich vorkommende magnetische Material ist der Magnet
+
eisenstein, eine Oxydationsstufe des Eisens nach der Formel FeO Fe203,
+
weniger stark magnetisch ist der Magnetkies, der die Formel 5 FeS Fe S
2 3
bcsitzt, noch weniger einige Erze des Nickels und Kobalts.
Nun kann man aber auch Magnete kiinstlich herstellen. Man bringt etwa
ein Stiick Eisen in Beriihrung mit einem natiirlichen Magneten. Dadurch wird
es selbst ein Magnet - ein kiinstlicher. Freilich verliert es seine magnetische
Eigenschaft fast ganz, wenn wir es entferncn. Bringt man aber ein Stahlstiick
in Beriihrung mit einem natiirlichen Magneten, etwa indem man es mit ihm
bestreicht, so behalt es seine magnetische Eigenschaft anch nach der Entfer
nung bei. Es ist ein dauernder oder per man e n t e r kiinstlicher Magnet geworden.
Ein solcher kann nun auch seinerseits zur Erzeugung anderer kiinstlicher Magnete
verwandt werden. Heutzutage werden aber kiinstliche Magnete nur durch elek
trische Strome hergestellt.
Jeder Magnet besitzt auf seiner Oberflache Stellen, die das Eisen nicht an
ziehen (wenn es auch tangential zur Richtung der Oberflache bewegt wird). Die
Enden eines stabformigen Magneten besitzen gewohnlich die Eigenschaft, daB sie:
1. verhaltnismaBig sehr stark anziehende Krafte ausiiben, daB
2. in ihrer Nahe die Kraft normal zur Oberflache steht, und daB
3. die Krafte von allen Seiten - auch von seitlich gelegenen Punkten -
gegen das Ende gerichtet sind.
1) Es liegt naturlich an unseren MaBeinheiten, wenn wir die Proportionalitatskon
stante zwischen Induktion und Feldstarke gleich 1 setzen. Allgemein liegt der Fall 1.
vor, wenn jeder Feldstarke dieselbe Induktion wie im Ather entspricht. Die Art der Ab
hangigkeit, die fur permanente Magnete 3. entsprechen wurde, kann nur dann vorkommen,
wenn auch die 2. entsprechende erfullt ist.
2) W. GILBERT, De Magnete. London 1600.
3) A. CH. COULOMB, Memoires de l' Academie royale des sciences 1785, S. 606, deutsch
von "V. KONIG in Ostwalds Klassikern Nr. 13.