Table Of ContentLehrbuch der Variationsrechnung
Cum enim Mundi universl fabrlea sit pcr
feetissima, atquc a Creatore saplentissimo ab
soluta, nihil omnino in mundo eontingit, in quo
non maximi minimive ratio quaepiam ;eluceat:
quamobrem dubium prorsus est nullum, quin
omnes ~lundi effectus ex causis finalibus, opc
Methodi maximorum et minimorum aeque feli
eiter determinari queant, atque ex ipsis causis
efficientibus. Euler.
Lehrhuch
der
Variationsrechnung
von
Adolf Kneser
Professor an der Universitat Rreslau
Zweite umgearbeitete Auflage
Mit 13 Abbildungen
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-663-00750-0 ISBN 978-3-663-02663-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-02663-1
Softcover reprint of ilie hardcover 2nd edition 1925
Alle Rechte vorbehalten
I n haI t s ver z eie h n i s.
Erster Abschnitt.
Begriff und Grundregeln der Variationsrechnung.
Seite
§ l. Begriff der Variation . . . . . . . . . . 1
§ 2. Einfachste besondere Variationen . . . . 8
§ 3. Bildung von Variationen geforderter Al·t . 17
§ 4. Invariante Bildungen . . . . . . . . 23
Zweiter Abschnitt.
Die einfachste Extremsaufgabe der Variationsrechnung.
§ 5. Hilfssätze aus der Differentialrechnung ..... . 35
§ 6. Das einfachste Extrem in der Variationsrechnung 37
§ 7. Beispiele zu den Eulerschen Differentialgleichungen 44
§ 8. Extreme bei veränderlichen Endpunkten 56
§ 9. Die Brachistochrone 61
§ 10. Allgemeine Transversalität . . . . . . 66
D r i t t e r A b 8 C h n i t t.
Hin,reichende Bedingungen des einfachsten freien Extrems.
§ 11. Erster Einbettungssatz . . . . . . . . . . . . 70
§ 12. Grundzüge der Weierstraß sehen Theorie 75
§ 13. Umformung der Weierstraß schen Bedingung 83
§ 14. Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . 88
§ 15. Extreme bei Veränderlichkeit eines Endpunktes 95
~ 16. Beispiele zum veränderlichen Anfangspunkt . 103
§ 17. Der zweite Einbettungssatz . . . . . . . . . . 106
§ 18. Die J aco bi sche lineare Differentialgleichung 110
§ 19. Hüllen und Notwendigkeit der J aco bischen Bedingung 116
§ 20. Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
§ 21. Zweite Variation; Notwendigkeit der Jacobischen Bedingung. 129
§ 22. Der Tl'ansversalensatz und die Normalkoordinaten in einem Felde 138
§ 23. Die Jacobi-Hamiltonsche Methode ............. 146
§ 24. Verallgemeinerung und kanonische Differentialgleichungen 151
§ 25. Allgemeine Integration der partiellen Differentialgleichung erster
Ordnung . . . . . . . . . . .. . ............. 157
VI Inhaltsverzeichnis.
Vierter Abschnitt.
Gebundene Extreme.
Seite
§ 26. Die allgemeine isoperimetrische Aufgabe. . 161
§ '27. Hinreichende Bedingungen des gebundenen Extrems 174
§ 28. Beispiele des gebundenen Extrems. . . . . . . . . 179
§ 29. Notwendigkeit der Jacobischen Bedingung; Hüllen 188
§ 30. Verallgemeinerungen, veränderliche Grenzen . . . . 191
§ 31. Beispiele des gebundenen Extrems und seiner Grenzen 196
§ 32. Die isoperimetrische Eigenschaft des Vollkreises und der Voll-
kugel ............. '. . . .......... 204
§ 33. Die Ja c 0 b i -H ami lt 0 n sche Methode bei der isoperimetrischen
Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . ..... . . . . . . 208
Fünfter Abschnitt.
Das Extrem der Integrale, welche höhere Ableitungen
der Unbekannten enthalten.
§ 34. Invariante Form des Integrals. . . . . 211
§ 35. Das Extrem der betrachteten Integrale 218
S 36. Integrabilitätsbedingungen. . . . . .. 224
S 37. Hinreichende Bedingungen des Extrems 227
~ 38. Besondere invariante Darstellung 233
§ 39. Gebundene Extreme ....... . 2U
Sechster Abschnitt.
Die allgemeinste Aufgabe der Variationsrechnung
mit einer Unabhängigen.
§ 40. Die Lösungen von Differentialgleichungen als Funktionen der
Integrationskonstanten . . . . . . . 250
§ 41. Die Mayerschen Aufgaben. . . . . 256
§ 42. Die allgemeinste Mayersche Aufgabe 263
§ 43. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . 273
§ 44. Felder und Jacobi-Hamiltonsches Verfahren bei der Mayer-
schen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
§ 45. Hinreichende Bedingungen des Extrems und Brennpunkte. . . . 290
Siebenter Abschnitt.
Das Extrem von vielfachen Integralen.
§ 46. Invariante Doppelintegrale . . . . . . . . . 303
§ 47. Variation und Extreme von Doppelintegralen ..... 312
§ 48. Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
§ 49. Hinreichende Bedingung des Extrems und Transversalen 328
§ 50. Theorie der zweiten Variation. . . . . . . . . . . . . 336
In haltsverzeichnis. VII
Seite
§ 51. Zweite Variation und Extrem 349
§ 52. Formale Entwicklungen . 355
§ 53. Erhaltungssätze. . . . . . . 364
Ach t e r A b s c h n i t t.
Unstetige A uf~aben und Lösungen.
§ 54. Freie Extreme an gebrochenen Linien. . . 371
§ 55. Gebundene Extreme an gebrochenen Linien 377
§ 56. Unstetige Aufgaben. . . . . . . . . . . . 385
Anmerkungen .......................... 389
Erster Abschnitt.
Begriff und Grundregeln der Variationsrechnung.
§ 1.
Begriff der Variation.
In der Differentialrechnung führt man, um das Verhalten
einer gegebenen Funktion fex) zu untersuchen, an Stelle der Diffe
+
renz fex d x) - fex), in der d x einen beliebigen Zuwachs der
Unabhängigen x bedeutet, einen abgekürzten Ausdruck derselben,
df(x) = t'(x)dx, ein, dessen Verhalten für das Verhalten der
Differenz in gewissem Sinne maßgebend ist, und der vor jener
den Vorzug einfacher Rechenregeln voraus hat, nach denen ein
Algorithmus, eben die Differentialrechnung ausgebildet werden
kann. In der Variationsrechnung sieht man den Wert einer ver
änderlichen Größe nicht als bestimmt an durch den Wert einer
Unabhängigen, von der jene wie fCx) von x abhängt, sondern als
abhängig von veränderlichen Abhängigkeitsverhältnissen; für den
Zuwachs, den eine Änderung dieser Verhältnisse hervorruft, wird
ein dem Differential verwandter abgekürzter Ausdruck ein
geführt, die Variation, die ebenfalls einfachen Rechenregeln unter
worfen ist und zur Ausbildung eines Algorithmus, der Variations
rechnung, Veranlassung gibt.
Sei z. B. ein ebener Bogen 12 gegeben, auf dem der Punkt 0
veränderlich ist, so daß zwischen seinen Koordinaten x, y ein
bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ersetzt man den
Bogen 12 durch einen benachbarten I' 2', auf dem der Punkt 0'
läuft, so wird beim Übergang von 0 zu 0' das Abhängigkeitsver
hältnis zwischen x lind y geändert, und man kann fragen: wie
ändert sich beim Übergang von der Kurve 12 zur Kurve I' 2' die
Krümmung und Richtung im Punkte 0, die Länge des Bogens 10
und des ganzen Bogens 12. Sollen alle diese Fragen bestimmt
Kneser, Variationsrechnung. 2. Anti. 1
2 Begriff und Grundregeln. § 1
sein, so ist nicht nur der Bogen 12 als Ganzes durch l' 2' zu
ersetzen, sondern eine Regel zu geben, nach der jedem Punkte 0
ein bestimmter Punkt 0' entspricht. Das kann z. B. so geschehen,
daß der Bogen 12, wenn
=
y ((x)
seine Gleichung, Xl und X2 die Abszissen seiner EndpunKte sind,
auf der x-Strecke x durch die Kurve
Xl'" 2
y = fex) + 8 (x)
ersetzt, und dem Punkte 0 oder (x, y) der Punkt 0' mit den
Koordinaten (x, y) zugeordnet wird. Dann ist z. B.
~ ~ ~; +
= 0' (x)
der neue Wert, in den d y/d x beim übergang von 0 zu 0' über
geht, und die Bogenlänge i2 erhält, wenn sie in l' 2' übergeführt
wird, den Zuwachs
Aus der Form dieses Ausdrucks könnte man in jedem be
sonderen Falle durch besondere Betrachtungen Schlüsse ziehen,
z. B. darüber, ob eine Zunahme oder Abnahme der Länge eintritt.
Um zu bequemer und allgemeiner Rechnung zu gelangen, be
trachten wir kleine Änderungen des Zu~ammenhangs zwischen x
und y, die von einem Parameter abhängen,· und setzen etwa
o
(x) = 13 1/1 (x), wobei der Parameter 13 von x unabhängig ist und,
wenn er klein wird, die ganze Änderung klein macht; setzen wir
13 = 0, so kommen wir auf die ursprüngliche Kurve 12 zurück.
Unter diesen Annahmen werden die an der Kurve l' 2' gebildeten
Größen Funktionen von 13, und für den Zuwachs, z. B. der Ordi
y,
nate y beim übergang zu bildet man nach dem Verfahren der
Differentialrechnung als abgekürzten Ausdruck das Differential
oCf}-y) .ds = 1/I(x)ds
os '
das wir (j y nennen wollen. Allgemein kann man bei irgend
einer Größe V, die beim übergang von 0 zu 0' ih U übergeht,
zur Untersuchung ihres Verhaltens das Differential
o(U- V)d _ 0 Ud
os
13 - Oe 13
§1 Begriff und Grundregeln. 3
mit dem Werte E=Obenutzen; dieses nennen wir eine Variation
der Größe U und setzen
o(U- V)I"=o
~U=~- dEo
Dabei kann auch allgemeiner als bisher () (x) = 1jJ (x, E) gesetzt
werden, wobei 1jJ (x, 0) = 0 sei; man hat dann
= =
(1) o(y-y) o1jJ(x,!l ~ o1jJ(x, E)I.,=OdE
OE OE' Y OE '
ferner
d y = d y + 0 1jJ (x, E) ~ {d Y_ d Y} = o~ 1jJ (x, E)
dx dx OX' OE dx dx OE ox '
also nach Definition des Zeichens ~
~(dY) = 021jJix, E)!.,=odE.
(2)
dx Ocox I
Nun ist allgemein, wenn x und c voneinander unabhängig sind,
c))
021jJ (x, E) = ~ (0 t/J (x,
ocox dx dE '
und in dieser Gleichung kann c = 0 gesetzt werden; die Glei
chungen (1) und (2) geben also
=
(3) ~(dY) d~y.
dx dx
Dabei ist zu bemerken, daß x beim übergang von 0 zu 0' un
geändert bleibt; daraus folgt
o (x - x) _ 0 ~ _ 0
OE -, uX_ .
Das Variationszeichen ist hier also mit dem der Ableitung
nach einer unvariierten Größe vertausch bar.
Wir wollen ferner annehmen, daß die Punkte 1 und I' sowie
2 und 2' dieselbe Abszisse haben, also
= =
Xl = .xl, X2 x2, (j Xl = (j x2 O.
Dann· sind die in der gewöhnlichen Weise abgegrenzten Inhalte
der Kurven 12 und I' 2'
X2 X2
Jydx, Jydx;
also folgt
4 Begriff und Grundregeln. § 1
oder Mch (1)
JX2 fX2
=
3 Y d X 3 Y d x.
Dabei kann y hier wie in der Formel (3) durch irgend eine
Größe U, deren Wert durch den Gesamtverlauf der Kurve 12
bestimmt wird, ersetzt werden; geht sie In U über, wenn der
Bogen I' 2' zugrunde gelegt wird, BO ist
f~ f~ x] f~
0°13 [ Ud x - Ud 1 e = 0 d 13 = 3 Ud x,
d E' O0E (dd xU _ dd xU ) 1 e = 0 = 3 ddUx.'
anderseits ist nach Definition
o(U- U)le=o
(4) 3U=--- dE
OE '
und die Ableitungen nach x und 13 sind vertauschbar, da x von 13
nicht abhängt; also folgt
(5)
Das Zeichen 3 ist also mit dem Zeichen der Integration
und der Ableitung nach einer unvariierten Veränder
lichen vertauschbar.
Allgemeiner sei die Variation als ein an einer bestimmten
Stelle gebildetes Differential nach Parametern EH 132, ••• definiert,
die Formel (4) also ersetzt durch die allgemeinere:
o(U- U) le1=e2="'=0
3U=2:-~OEa ,0=1,2, ... ;
a
dann zerfallen in den Formeln (5) die rechte wie die linke Seite
in Summanden,' deren jeder sich auf eine der Größen Ea bezieht;
entsprechende Summanden rechts· und links sind gleich, die
Gleichungen (5) bleiben also bei Bestand. Sind ferner U, V; ...
beliebig viele durch den Verlauf der' Kurve 12 bestimmte Größen
und (J) eine der Variation nicht unterworfene Funktion, so ist
(6)