Table Of ContentJochen Walter
Die Türkei – ,Das Ding auf der Schwelle’
Jochen Walter
Die Türkei –
,Das Ding auf
der Schwelle’
(De-)Konstruktionen
der Grenzen Europas
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Dieser Band ist im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 584 „Das Politische als Kommunika-
tionsraum in der Geschichte“ an der Universität Bielefeld entstanden.
1.Auflage 2008
Alle Rechte vorbehalten
© VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2008
Lektorat:Katrin Emmerich / Sabine Schöller
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Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-531-15931-7
Für Helene
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Danksagung
Während langer Nächte des Lesens und Schreibens – Bücherstapel, leere Tee-
und Kaffeetassen auf dem Schreibtisch, Notizen, Artikel und Exzerpte über den
Boden verteilt –, da könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, Wissen-
schaft zu betreiben sei eine ziemlich einsame Tätigkeit. Doch schon beim zwei-
ten Überlegen wird mir klar, dass am Zustandekommen dieses Buches weit
mehr als nur eine Person beteiligt war. Darum möchte ich mich auch bei einer
Reihe von Personen und Einrichtungen bedanken, die mich auf ganz unter-
schiedliche Art und Weise unterstützt haben:
Mein erster Dank gilt meiner Frau Franziska, die mich immer ermutigt und
unermüdlich unterstützt hat und sich glücklicherweise nicht all zu sehr an den
oben erwähnten langen Nächten gestört hat. Dass mir darüber hinaus die Fami-
lien Walter und Lütgens von Beginn an den Rücken gestärkt haben, ist wohl
nicht hoch genug einzuschätzen. Wichtige Lektionen in Sachen Durchsetzungs-
vermögen und Hartnäckigkeit erteilte mir immer wieder Rüdiger Kauf.
Wertvollen akademischen Beistand und Rat erhielt ich insbesondere von
Mathias Albert, mit dem das vorliegende Projekt ursprünglich erarbeitet und im
Rahmen des Bielefelder Sonderforschungsbereichs 584 „Das Politische als
Kommunikationsraum in der Geschichte“ durchgeführt wurde, der an der Fa-
kultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie angesiedelt ist.
Der Sonderforschungsbereich, das Bielefelder „Institut für Weltgesellschaft“
sowie die „International Graduate School in Sociology“ (IGSS) ermöglichten
mir ein konzentriertes und äußerst produktives Arbeiten.
Viele Personen an der Bielefelder Fakultät für Soziologie haben mir in den
letzten Jahren immer wieder mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Hervorheben
möchte ich hier Stephan Stetter, Gesa Bluhm, Jan Helmig und Martin Koch,
doch auch den TeilnehmerInnen des politikwissenschaftlichen Kolloquiums sei
gedankt, in dessen Rahmen meine Arbeit immer wieder diskutiert wurde.
Mein ganz besonderer Dank gilt Felix Bach, Mitja Sienknecht und Clemens
John, die an den verschiedenen Schritten der Entstehung und Umsetzung dieser
Studie maßgeblich und tatkräftig beteiligt waren.
Auch die Kommentare und Kritik vieler KollegInnen auf Konferenzen, Ta-
gungen und Workshops im In- und Ausland waren eine wertvolle Hilfe für
mich, genannt seien hier nur Thomas Diez, Rainer Hülsse und Reiner Keller.
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Das vorliegende Buch stellt zugleich die leicht überarbeitete Fassung mei-
ner Doktorarbeit dar, welche im Sommer 2007 an der Bielefelder Fakultät für
Soziologie eingereicht und angenommen wurde.
Bielefeld, im Februar 2008 Jochen Walter
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Inhalt
Vorwort ............................................................................................................. 13
1. Einleitung: Auf Europas Karten dazwischen – Die Türkei und die
schwierige Frage nach der Gestalt und den Grenzen Europas........... 15
2. Europäische (Identitäts-) (De-) Konstruktionen, oder:
Europa in Diskursen (er-) finden .............................................................. 29
2.1. (De-) Konstruktion des geographischen Raumes und dessen
kartographische Repräsentationen ......................................................... 29
2.2. Europa als soziale Konstruktion ............................................................ 33
2.3. Diskursive Konstruktionen Europas auf dem europäischen „discursive
battleground“, oder: Europa als „essentially contested concept“ .......... 35
2.4. Europäische Identifikationen, europäische Identität(en) ....................... 38
2.5. Europas Andere(s) ................................................................................. 43
2.5.1. ‚Der Islam‘ und das Osmanische Reich ....................................... 43
2.5.2. Spezialfall ‚Orient‘ ...................................................................... 46
2.5.3. Russland ....................................................................................... 47
2.5.4. Die europäische Vergangenheit als „temporales Anderes“ ......... 49
2.5.5. Spezialfall ‚Balkan‘ ..................................................................... 50
2.5.6. Die USA ....................................................................................... 51
2.6. Die Untersuchung europäischer Identität(en):
Eine Zwischenbetrachtung .................................................................... 52
3. Europa und die Türkei ............................................................................... 55
3.1. Die Türkei als das Andere Europas? ...................................................... 55
3.2. Der türkische Beitritt zur EG bzw. EU im Fokus der (Sozial-)
Wissenschaften ...................................................................................... 58
3.3. Auswahl und Begründung des Analysematerials ................................... 64
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4. Europa als „essentially contested concept“ und die Herausforderung
durch die Türkei (beobachten) – Theoretisch-methodologischer
Entwurf einer Forschungsstrategie ........................................................... 71
4.1. Diskursanalytisches Selbstverständnis: Methode oder
Forschungsstrategie? ............................................................................. 71
4.2. Ansprüche an eine konstruktivistische Diskursanalyse ......................... 73
4.3. Wie kommt es zu „essentially contested concepts“ und ab wann kann
man von einem solchen sprechen – Eine theoretische Herleitung ........ 75
4.3.1. Beobachterabhängigkeit, Beobachtungen erster und zweiter
Ordnung und Sinn als Verweisungshorizont ............................... 76
4.3.2. Kommunikation ........................................................................... 79
4.3.3. Sprache ......................................................................................... 81
4.3.4. Sprechen, Weiter- und Widersprechen ........................................ 84
4.3.5. Schrift und Text als „Nährboden“ für „essentially contested
concepts“ ...................................................................................... 89
4.4. Der Status des diskursanalytischen Wissens .......................................... 97
4.5. Hermeneutische Interpretationsprogramme: Wie verstehen, was
verstehen? ............................................................................................ 101
4.5.1. Von der traditionellen zur neueren und
sozialwissenschaftlichen Hermeneutik ...................................... 102
4.5.2. Unterscheidungen und Formen der Inklusion und Exklusion
beobachten: Elemente einer konstruktivistisch gewendeten
Hermeneutik ............................................................................... 106
4.5.3. Der Einbau der bzw. die Rückbindung an die
Diskursperspektive...................................................................... 113
4.5.4. Die realitätskonstruierende Wirkung von Metaphern und die
Rolle rhetorischer Strategien ..................................................... 116
4.6. Massenmedien beobachten – Beobachtung der Massenmedien .......... 120
4.6.1. Konsequenzen der Konzeption der Massenmedien für die
empirische Analyse .................................................................... 128
5. Die Türkei, Europa und die europäischen Gemeinschaften in der
Beobachtung der britischen und deutschen Massenmedien
(beobachten): 1960-2004........................................................................... 133
5.1. Die tiefe Kluft: Die Türkei als strategischer Partner gegen die
Sowjetunion und ‚die Türken‘ als zurückgebliebene
Fremde (1960-1963) ............................................................................ 135
5.1.1. Historischer Abriss I: Nachkriegsjahre bis Mitte der
1960er Jahre ............................................................................... 135
5.1.2. Deutsche Berichterstattung ........................................................ 138
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5.1.3. Britische Berichterstattung ........................................................ 152
5.2. Die Türkei als ‚Dazwischen‘ im Angesicht einer drohenden
‚islamischen Weltrevolution‘ (1987-1989) ......................................... 159
5.2.1. Historischer Abriss II: Mitte der 1960er Jahre bis Ende der
1980er Jahre ............................................................................... 159
5.2.2. Deutsche Berichterstattung ........................................................ 162
5.2.3. Britische Berichterstattung ........................................................ 172
5.3. Welches Europa endet wo und warum? Die Türkei als ein Anderes
und der Einfluss der Terroranschläge des 11. September 2001
(1999-2004) ......................................................................................... 179
5.3.1. Historischer Abriss III: 1990 bis 2005 ....................................... 179
5.3.2. Deutsche Berichterstattung ........................................................ 182
5.3.3. Britische Berichterstattung ........................................................ 204
5.4. Beobachtung der Genese der Beobachtung der Türkei im Verhältnis
zu Europa – Perioden und Länder im Vergleich ..................................216
6. Schlussbetrachtung und Ausblick ........................................................... 227
7. Literatur .................................................................................................... 235
8. Anhang ....................................................................................................... 249
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Vorwort
Ob die Türkei zu Europa gehört oder nicht ist eine Frage, welche kaum je ab-
schließend zu beantworten sein wird. Zu zentral ist die Auseinandersetzung
über genau dieses Thema in der Konstruktion jeweils spezifischer Vorstellun-
gen dessen, was Europa „ist“. Es erstaunt dabei, dass sich trotz der umfangrei-
chen Diskussion um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei und trotz eines
umfangreichen Literaturkorpus sowohl zu den Beziehungen zwischen der EU
und der Türkei auf der einen Seite sowie den vielfältigen Facetten der Kon-
struktion einer europäischen Identität auf der anderen Seite bislang kaum sy-
stematische Auseinandersetzungen mit der Frage finden, wie sich der Diskurs
über die Zugehörigkeit der Türkei zu Europa im Laufe der Zeit wandelt. Genau
an dieser Stelle hat Jochen Walter ein Buch vorgelegt, welches hier eine be-
merkenswerte Lücke in der Forschung schließt. Ein zentrales Ergebnis der auf
einem anspruchsvollen konzeptionellen Fundament aufruhenden Analyse ist
dabei, dass der Status der Türkei als dem „Dazwischen“ offensichtlich kaum
aufzuheben ist – die Türkei bleibt „Das Ding Dazwischen“ bzw. „Das Ding auf
der Schwelle“.
In diesem Sinne erlauben die Ergebnisse des vorliegenden Buches keine
Vorhersagen darüber, ob und wann die Türkei der EU beitreten wird oder bei-
treten könnte. Es zeigt aber überzeugend auf, dass dies zu einem nicht geringen
Teil davon abhängen wird, welche Diskursformationen andere überlagern und
welche Selbstbeschreibungen Europas dadurch plausibler und welche weniger
plausibel werden. Es weist dabei darauf hin, dass möglicherweise die Chancen
eines türkischen EU-Beitritts steigen, wenn in Folge neuer geopolitischer Kon-
fliktkonstellationen über die Herausbildung eines „globalen Anderen“ die geo-
politisch-geostrategischen Diskurse (wieder) die Oberhand gegenüber den kul-
turalistischen erhielten.
Hierin liegt das große Verdienst von Die Türkei – „Das Ding auf der
Schwelle“: es erinnert eindrücklich daran, dass es in der Diskussion um einen
möglichen EU-Beitritt der Türkei nicht primär um die Zukunft oder den Unter-
gang des Abendlandes geht und auch nicht primär um die Neuordnung der
europäischen Milch- und Gemüsemärkte – es geht vielmehr um Beides und um
mehr: es existiert kein Europa mit fest gefügten Eigenschaften, zu dem die
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