Table Of ContentAppendix Tibulliana
Hermann Tränkle
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DE
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TEXTE UND KOMMENTARE
Eine altertumswissenschaftliche Reihe
In Verbindung mit
Olof Gigon • Alfred Heuß • Otto Luschnatt
herausgegeben von
Felix Heinimann und Adolf Köhnken
Band 16
1990
Walter de Gruyter • Berlin • New York
APPENDIX
TIBULLIANA
herausgegeben und kommentiert
von
Hermann Tränkle
1990
Walter de Gruyter • Berlin • New York
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Tränkte, Hermann:
Appendix Tibulliana / hrsg. u. kommentiert von Hermann
Tränkle. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1990
(Texte und Kommentare ; Bd. 16)
ISBN 3-11-012284-7
NE: GT
© 1990 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30
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Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin
VORWORT
„Ein Mensch, der ein Buch macht, hängt sich
schwerlich; daher sollten alle reiche Lords-Söhne
für die Presse arbeiten: denn man hat doch,
wenn man zu früh im Bette erwacht, einen Plan,
ein Ziel und also eine Ursache vor sich, warum
man daraus steigen soll. Am besten fahret dabei
ein Autor, der mehr sammelt als erfindet.“
Jean Paul, Leben des Quintus Fixlein,
Eilfter Zettelkasten
Der vorliegende Kommentar zum dritten Buch des Corpus Tibullia-
num ist hervorgegangen aus dem Plan, das gesamte Corpus zu erklä
ren. Nachdem die Vorarbeiten dazu weitgehend abgeschlossen waren
und ich an die Niederschrift ging, wurde mir klar, daß ich die
Probleme der Darstellung erheblich unterschätzt hatte, mit denen die
Kommentierung so weitgespannter und komplizierter Gebilde, wie es
die meisten echten Tibullgedichte sind, notwendigerweise verbunden
ist. Ich zog es daher vor, mit dem dritten Buch zu beginnen, das
vorwiegend aus kürzeren Stücken und noch dazu aus mehreren in
sich abgeschlossenen Gedichtgruppen besteht. Auch schien mir hier
die Vorlage eines umfassenden Kommentars besonders dringend, da
zwar in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Aufsätze über Spezialpro
bleme, die Teile des dritten Buches betreffen, geschrieben wurden,
aber das Erscheinen der letzten derartigen Arbeit, die mehr bietet als
Parallelstellen und knappste Angaben über den Wortsinn einzelner
Formulierungen, über 150 Jahre zurückliegt. Die Fertigstellung hat
sich dann länger hingezogen, als ich zunächst erwartete, und das hat
mich schließlich zu einer separaten Publikation des Teiles bewogen.
Die Einsicht, daß für die Zukunft unserer Wissenschaft einiges
daran liegt, ob es uns gelingt, die über die antiken Texte gewonnenen
Erkenntnisse in halbwegs handliche Kommentare zu diesen zu fassen,
hat sich auch im deutschen Sprachraum durchgesetzt, nachdem die
Aufgabe dort lange Zeit vernachlässigt worden war. Doch sieht es
nicht so aus, als seien die adäquaten Formen schon gefunden. Ein
Kommentator erliegt, wenn er seine Tätigkeit ernst nimmt, leicht der
VI Vorwort
Gefahr, alles und jegliches erklären zu wollen und den Text, den
verständlich zu machen er sich vorgenommen hat, mit Massen von
Zitaten und Literaturhinweisen geradezu zu erdrücken. Besonders auf
dem Gebiet des Lateinischen haben die letzten Jahrzehnte ein paar
abschreckende Beispiele gebracht. Mein Bestreben war es, eine zwar
eindringende, aber zugleich auch überschaubare Kommentierung zu
bieten. Die gelehrte Arbeit meiner Vorgänger habe ich dankbar be
nützt, aber es schien mir nicht notwendig, auf Schritt und Tritt auf
ihre Publikationen zu verweisen. Die wichtigsten von ihnen sind im
Literaturverzeichnis am Ende des Bandes zusammengestellt, vor allem
diejenigen, deren Verfasser im Kommentar namentlich erwähnt wer
den. Weitere Sekundärliteratur läßt sich mit Hilfe von H. Harrauer,
A Bibliography to the Corpus TibuIIianum, Hildesheim 1971, und —
für die Jahre nach 1970 — der Annee Philologique leicht auffinden.
Andererseits mußten im Kommentar die Hinweise auf Parallelstellen
vielfach recht reichlich ausfallen, da ein Teil der Gedichtgruppen des
dritten Buches in enger Anlehnung an literarische Vorbilder entstan
den ist und diese Anlehnung ein entscheidendes Kriterium für die
Beurteilung der schwierigen chronologischen Fragen, die bei ihnen
bestehen, darstellt. Das Gleiche gilt von den Angaben über das mut
maßliche Alter einzelner Wendungen und syntaktischer Formen.
Bei der Abfassung des Buches ist mir vielfache Hilfe zuteil gewor
den, für die ich an dieser Stelle Dank sagen möchte. Mein Freund
Winfried Bühler hat einen Teil des Manuskripts gelesen, Dieter Güntz-
schel sämtliche jeweils neu entstandenen Abschnitte des Werks; Felix
Heinimann und Hans Jakob Urech haben mich bei der Korrektur der
Druckfahnen unterstützt. Sie alle haben auf Versehen aufmerksam
gemacht und wichtige Verbesserungen teils inhaltlicher, teils formaler
Art angeregt. Hinweise zu Einzelheiten haben Wolfgang Dieter Lebek
und Otto Zwierlein beigesteuert. Die Druckvorlage wurde von Frau
Heidi Rathgeb hergestellt. Folgende Bibliotheken haben Mikrofilme
von Handschriften und frühen Ausgaben übersandt: Bibliotheek der
Rijksuniversiteit, Leiden; Biblioteca Ambrosiana, Mailand; Biblio-
theque Nationale, Paris; Biblioteca Apostolica Vaticana, Rom;
Biblioteca Marciana, Venedig.
Greifensee, im März 1990 Hermann Tränkle
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung........................................................................................ \
Die Entstehung des Corpus Tibullianum .............................. 1
Die handschriftliche Überlieferung des Corpus Tibullianum 6
Die neuzeitliche Erforschung des Corpus Tibullianum . . . . 9
M. Valerius Messalla Corvinus ............................................... 12
Conspectus siglorum..................................................................... 25
Albii Tibulli liber tertius............................................................... 27
Kommentar..................................................................................... 53
Die Lygdamuselegien (III 1 — 6 ) ............................................... 55
Der Panegyricus Messallae (III 7 )............................................ 172
Der Sulpiciazyklus (III 8 — 12).................................................. 255
Die Elegien der Sulpicia (III 13-18)....................................... 299
III 19 ........................................................................................... 323
III 20 ........................................................................................... 335
Priapeum I ................................................................................... 337
Priapeum II ................................................................................ 345
Literaturverzeichnis........................................................................ 371
Indizes.............................................................................................. 373
EINLEITUNG
Die Entstehung des Corpus Tibullianum
Nachdem sich im frühen 19. Jh. die Überzeugung durchgesetzt hatte,
daß ein Teil der Gedichte des Corpus Tibullianum entgegen dem
Zeugnis der Hss. nicht von Tibull stammen kann, kam man dazu,
sich ein Bild von seiner Entstehung zurechtzulegen, das noch heute
nahezu unangefochten das Feld beherrscht: Die Sammlung sei das
„Hauspoetenbuch“ (E. Norden) des M. Valerius Messalla Corvinus,
und zwar seien ihre nicht von Tibull verfaßten oder von ihm nicht
publizierten Teile nach dem Tode dieses Mannes im Jahre 8 n. Chr. aus
seinem Nachlaß hervorgezogen und an die beiden bereits bekannten
Bücher des bedeutendsten Mitgliedes seines Dichterkreises angefügt
worden. Die Wirksamkeit dieser Hypothese beruht einmal darauf, daß
Messalla und seine Familie im Corpus auch außerhalb der tibullischen
Elegien eine wichtige Rolle spielen; das längste Stück des dritten
Buches ist ein Lobgedicht auf ihn, das sich als Huldigung zum Konsu
latsantritt im Jahre 31 v. Chr. gibt, und mehrere Elegien des Buches
stammen von seiner Nichte Sulpicia oder beschäftigen sich mit ihrem
Schicksal. Von Bedeutung war aber wohl auch, daß man sich nur
allzu gerne an die Vorstellung gewöhnte, es habe in Rom neben
dem „Scipionenkreis“ und dem „Maecenaskreis“ noch einen weiteren
literarischen Zirkel gegeben, in dessen Mittelpunkt ein einflußreicher
Aristokrat stand, den „Messallakreis“. Eben das scheint dazu geführt
zu haben, daß man sich recht wenig um die Hindernisse kümmerte,
die einer derartigen Annahme entgegenstehen könnten.
Es liegt auf der Hand, daß sich die bezeichnete Hypothese nur
dann aufrechterhalten läßt, falls alle oder fast alle Teile des Corpus
Tibullianum zu Messallas Lebzeiten entstanden sind. Gerade daran
wurden in Hinblick auf das dritte Buch seit langem immer wieder
Zweifel laut, und es kann heute als gewiß gelten, daß es nicht zutrifft.
Die Begründungen für diese Behauptung müssen der Einzelkommen
tierung Vorbehalten bleiben; schon jetzt aber sei zusammenfassend
dazu folgendes bemerkt: 1) Die Lygdamuselegien (3, 1 — 6) sind sicher
nach Ovids Spätwerken entstanden, d. h. nicht vor 20 n. Chr., wahr-
2 Einleitung
scheinlich sogar erheblich später. Im vorliegenden Kommentar werden
sie den letzten Jahren des 1. Jh. n. Chr. zugewiesen. 2) Der sogenannte
Panegyricus Messallae (3,7) ist sicher nach Ovids Spätwerken entstan
den, wahrscheinlich sogar erheblich später. Im vorliegenden Kommen
tar wird er dem Anfang des 2. Jh. n. Chr. zugewiesen. Falls das
zutrifft, hat er als das jüngste Werk des Corpus Tibullianum zu gelten.
3) Der Sulpiciazyklus (3, 8 -12) ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nach
Ovids Spätwerken entstanden, wohl aber sehr bald danach. 4) Die
Elegien der Sulpicia (3, 13- 18) sind wahrscheinlich zwischen 25 und
20 v. Chr. entstanden. Sie stellen so gut wie sicher den ältesten Teil
des dritten Buches des Corpus Tibullianum dar und wurden wohl
sogar vor den Gedichten des zweiten Buches geschrieben. 5) Die Elegie
3, 19 ist eine Fälschung auf den Namen Tibulis, die wohl kaum
vor Ovids Remedia amoris und vielleicht erst nach seinen Tristien
entstanden ist, d. h. nicht vor 2 n. Chr., vielleicht aber erheblich
später. 6) Über die Entstehungszeit des kurzen Epigramms 3, 20 läßt
sich nur die vage Angabe machen, daß es schwerlich vor dem zweiten
Tibullbuch geschrieben wurde1.
Demnach wurden also die meisten Gedichte des dritten Buches des
Corpus Tibullianum einige oder sogar erst lange Zeit nach Messallas
Tod geschrieben, was bedeutet, daß die Annahme, dieses sei sein
„Hauspoetenbuch“, nicht richtig sein kann und das Zustandekommen
der Sammlung einer anderen Erklärung bedarf. Nun sind diese Ge
dichte mit Ausnahme der Elegien der Sulpicia so beschaffen, daß sich,
obwohl kein einziges von Tibull stammt, ihm alle mit mehr oder
weniger Recht zuschreiben ließen, die einen, weil in ihnen sein Name
genannt oder auf Lebensumstände angespielt war, die die seinen
sein konnten, die anderen, weil sie auffällige Übereinstimmungen
inhaltlicher oder formaler Art mit seinen echten Werken aufwiesen.
Das erste trifft auf die Elegie 3, 19 und den Panegyricus Messallae
zu, das zweite auf das Epigramm 3, 20, die Lygdamuselegien und
ganz besonders auf den Sulpiciazyklus. Diese Tatsachen legen die
Vermutung nahe, daß es Tibull ähnlich erging wie dem Tragödiendich
ter Seneca, an dessen echte Werke bereits in der römischen Kaiserzeit
Pseudepigrapha angeschlossen wurden. Auch die Appendix Vergiliana
bietet sich zum Vergleich an, nur daß es in diesem Fall erst im
Mittelalter gelegentlich zu einer buchmäßigen Vereinigung der echten
und unechten Werke gekommen ist.
1 Nicht berücksichtigt sind in diesen und den folgenden Darlegungen die
beiden Priapeen. Für ihre besonders gearteten Probleme sei auf die jeweili
gen Einleitungen verwiesen.
Description:In der Reihe werden wichtige Neuausgaben und Kommentare zu Texten der griechisch-römischen Antike publiziert, insbesondere kommentierte Ausgaben nur fragmentarisch überlieferter Texte. Ihrem umfassenden Charakter entsprechend leistet die Reihe einen wesentlichen Beitrag zur Erschließung der antik