Table Of ContentDominik Stawski
Die Prozente der Presse
VS RESEARCH
Dominik Stawski
Die Prozente
der Presse
Bewertung von Journalistenrabatten
aus Anbieter- und Nutzerperspektive
Mit Geleitworten von Hans Leyendecker
und Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen
VS RESEARCH
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1. Auflage 2010
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© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Lektorat: Verena Metzger / Britta Göhrisch-Radmacher
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Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-17566-9
Geleitwort
Als Ende Mai 2010 der Norddeutsche Rundfunk (NDR) seinen Chefreporter Chri-
stoph Lütgert verabschiedete, wurde der 65 Jahre alte Journalist zu Recht von vie-
len Kollegen als einer der Großen seines Fachs gewürdigt. Lütgert ist ein Journalist
aus Leidenschaft. Er hat zu dem Beruf eine Beziehung, die tiefer geht als die der
Persönlichkeit zur Sache, an der sie sich beweisen und bestätigen kann. Er brennt.
In einer launigen Dankesrede wies der Chefreporter a. D. darauf hin, dass er künf-
tig einen Altersrabatt bekomme, wenn er ins Museum wolle und dann fügte er et-
was abrupt hinzu: Er habe immer Presserabatte für sich in Anspruch genommen
und diejenigen, die das ablehnten, seien „puristische“ Gerechtigkeitsfanatiker. Er
bekam Beifall, es gab aber auch leises Murren.
Der Discount spaltet den Beruf. Wenn einer wie der für seine Dokumentatio-
nen hochgeehrte Lütgert, der in seiner Arbeit immer unbestechlich war, den Vor-
teil des Presseausweises für private Zwecke sucht, ist er dann korrupt oder gaga?
Oder sind diejenigen, die alle Vorteile strikt ablehnen, kleinliche Spießer, melan-
cholische, verbitterte Idealisten, die im Ruch stehen, etwas verschroben zu sein?
Wirken sie in ihrer vorbeugenden Abwehrhaltung nur linkisch und plump?
In der Theorie ist alles gut geregelt. Nach Richtlinie 15.1 des Deutschen Pres-
serats besteht „die Gefahr einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von
Verlagen und Redaktionen (...), wenn Redakteure und redaktionelle Mitarbeiter
Einladungen oder Geschenke annehmen, deren Wert das im gesellschaftlichen
Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß über-
steigt“. Das unabhängige Urteil könne durch Zuwendungen oder Rabatte beein-
trächtigt werden.
In der Praxis ist vieles anders als es das Selbstkontrollorgan der deutschen
Verlage und Journalisten in seinem Kodex vorschreibt. Journalisten, die mit dem
Anfangsverdacht manchmal sehr schnell hantieren und mit der Hartnäckigkeit ei-
nes Dachshundes nahezu unausgesetzt in das Labyrinth der Korruption einzudrin-
gen versuchen, haben oft kein Problem mit dem eigenen Vorteil. Bücher wie dieses
stellen dar, stellen bloß – nur, was ändert sich? „Ich kenne investigative Journali-
sten, die um zwei, drei Prozent mehr Rabatt kämpfen“, sagt ein PR-Mann bei VW.
Als im Spätherbst 2008 das TV-Medienmagazin Zapp (NDR) über die „große
Gier vieler Journalisten“ berichtete, machte der frühere VW-Kommunikations-
6 Geleitwort
vorstand Klaus Kocks in dem Beitrag „italienische Verhältnisse“ im deutschen
Journalismus aus. Es sei „eine Unart der Unternehmen auf der einen Seite und eine
Unart der Journalisten auf der anderen Seite. Es gibt kein Schamgefühl“. Am Tag
nach dem Beitrag verzeichneten die Anbieter von Journalistenrabatten einen Re-
kordansturm. Dabei räumen Medien Berichten über zweifelhafte Verbindungen
gern großen Raum ein, aber sie begreifen das Problem als ein Problem der anderen
Berufe: „Vergnügen empfindet man nur an fremden Fehlern“, hat der Korrupti-
onsforscher Paul Noack schon vor vielen Jahren erkannt.
Zwar sind im Journalismus – wie auch in anderen Berufen – Verallgemeine-
rungen fehl am Platz, aber die Studie über den Discount für die Unbestechlichen
lenkt auch den Blick auf die Symbiosen zwischen Konzernen, Berichterstattern und
Verlagen. Immer häufiger werden im Alltag journalistische Arbeit und Werbung
miteinander vermengt. Der Kampf um Anzeigenkunden führt sogar zu Formen
der Schutzgelderpressung. Hersteller werden von Verlagsmanagern bedrängt, An-
zeigenplätze zu kaufen, weil das Produkt ansonsten keine Erwähnung in redaktio-
nellen Beiträgen finden könne. Die Mitfahrgelegenheiten von Unternehmen für
Autojournalisten in ferne Länder müssten ebenso wie die von Firmen bezahlten
Reisen der Reisejournalisten ein Dauerthema auf Journalistenkongressen sein. Aber
der geldwerte Vorteil gilt nur für die anderen.
Die Verlage machen sich die Finger ganz schön schmutzig: Wer einem freien
Autojournalisten beispielsweise nur ein paar Euro für einen dreispaltigen Text ein-
schließlich Foto zahlt, darf sich nicht wundern, wenn der Berichterstatter nebenher
PR für Autokonzerne macht. Wenn Journalisten Ethikregeln aufstellen und Kodi-
zes predigen, aber dann von den Verlagen aufgefordert werden, Anzeigen zu be-
sorgen, ist das Heuchelei. Dieses Buch über den organisierten Vorteil beschreibt
die Welt der Billigheimer und die Welt der Heuchler – es ist ein Sittengemälde mit
ganz vielen Zahlen.
Hans Leyendecker
Geleitwort
Bei Air Berlin erfolgen mehr als 30.000 Journalistenbuchungen im Jahr, wie es das
Unternehmen mitteilt. Das ist eine beträchtliche Zahl, gibt es doch aktuellen Erhe-
bungen zufolge nur etwa 60.000 Journalisten in Deutschland. Und Air Berlin ist
nur eines der zahlreichen Unternehmen, das Journalisten spezielle Preise und Kon-
ditionen anbietet. Dies ist mehr als ein deutliches Indiz für die Bedeutung der Ar-
beit von Dominik Stawski, der sich mit dem Angebot und der Nachfrage nach
Journalistenrabatten theoretisch und empirisch auseinandergesetzt hat. Ihm ging es
dabei nicht um eine moralische Bewertung, der Autor möchte die Debatten mit
aussagekräftigen Zahlen über Journalistenrabatte bereichern. Dazu führte er um-
fangreiche Recherchen und eine repräsentative Journalistenbefragung durch.
Wie wichtig die Versachlichung der Debatten, aber gleichzeitig auch die klare
Verdeutlichung der Tatbestände ist, zeigen die konträren Standpunkte der Unter-
nehmen, die Journalistenrabatte anbieten. Das Spektrum reicht von der Aussage,
dass „die Grenze zwischen Vorteilsnahme oder Bestechungsversuch und norma-
lem Rabattgebaren fließend ist“ bis hin zur Erkenntnis der Rabattanbieter, dass
„wenn einem guten Journalisten eine gute Geschichte über den Weg läuft, er dann
auch keine Freunde kennt und die schreibt, ob er jetzt ein günstiges Ticket be-
kommen hat oder nicht. Man muss sich nicht der Illusion hingeben, dass man die
Journalisten damit kaufen könnte“.
Angesichts der Tatsache, dass das System der Journalistenrabatte keineswegs
unumstritten ist, erstaunt es doch, dass Dominik Stawski für seine deutschlandwei-
te Befragung der Tageszeitungsjournalisten eine repräsentative Zahl an Antworten
erhielt. Offensichtlich ist das Thema Presserabatte auch unter Journalisten ein
Thema.
Zwar gibt es von Seiten der Journalisten sehr differenzierte Bewertungen der
Rabattgeschäfte, trotzdem ergibt sich eine durchaus heikle Situation: Nahezu die
Hälfte der Tageszeitungsjournalisten hält Presserabatte nicht für problematisch. 70
Prozent derjenigen, die Rabatte ablehnen, haben trotz dieser Haltung schon selbst
welche in Anspruch genommen. Auffällig ist ferner, dass Frauen die Rabattnutzung
signifikant kritischer bewerten als Männer. Weitere Zusammenhänge existieren bei
der Ressort- und Verbandszugehörigkeit. So nehmen Wirtschaftsjournalisten und
8 Geleitwort
Mitglieder der dju eine kritischere Haltung gegenüber Journalistenrabatten ein als
Journalisten anderer Ressorts und Mitglieder des DJV.
Diese und eine Menge anderer Ergebnisse liefern Stoff für Diskussionen über
Presserabatte und auch für die Debatte um ethische Kodizes im Journalismus. Die
empirischen Ergebnisse sind daher von nachhaltiger Bedeutung für alle weiteren
Diskussionen über Presserabatte. Besonders die Journalisten selbst, aber auch die
Journalistengewerkschaften, die Medienarbeitgeber und die Rabattanbieter können
aufgrund der fundierten und hinsichtlich der Befragung auch repräsentativen Da-
ten zukünftig das Rabattwesen nicht mehr als eines unter vielen darstellen. Insbe-
sondere die Behauptung, dass die Rabatte keine Auswirkungen auf die journalisti-
sche Tätigkeit hätten, lässt sich kaum aufrecht erhalten. Vorrangig die Aussagen der
Unternehmen (vor allem der Nicht-Anbieter, die Dominik Stawski richtigerweise
auch befragt hat) geben Einblicke in einen ethisch wenig fundierten Bereich jour-
nalistischen Handelns.
Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen
Inhaltsverzeichnis
(cid:2) (cid:2)
1 Einleitung: Ein Leben voller Prozente....................................................15
(cid:2) (cid:2)
1.1 Problemstellung..................................................................................................16
(cid:2) (cid:2)
1.2 Vorgehensweise..................................................................................................17
(cid:2) (cid:2)
1.3 Zentrale Ergebnisse............................................................................................18
(cid:2) (cid:2)
2 Grundlagen der Untersuchung...............................................................21
(cid:2) (cid:2)
2.1 Begriffsdefinitionen............................................................................................22
(cid:2) (cid:2)
2.2 Rechtlicher Hintergrund von Rabatten...........................................................26
(cid:2) (cid:2)
2.3 Rabatte in anderen Berufen..............................................................................30
(cid:2) (cid:2)
2.4 Die Nachfrager von Journalistenrabatten.......................................................35
(cid:2) (cid:2)
2.4.1 Journalisten in Deutschland..................................................................35
(cid:2) (cid:2)
2.4.2 Die Ökonomik – eine Entscheidungstheorie für Journalisten........43
(cid:2) (cid:2)
2.5 Die Anbieter von Journalistenrabatten...........................................................53
(cid:2) (cid:2)
2.5.1 Ein Marktüberblick.................................................................................54
(cid:2) (cid:2)
2.5.2 Motive der Unternehmen......................................................................60
(cid:2) (cid:2)
2.6 Die Bewertung der Rabatte aus verschiedenen Perspektiven......................64
(cid:2) (cid:2)
2.6.1 Die (nicht-)öffentliche Diskussion.......................................................65
(cid:2) (cid:2)
2.6.2 Foren im Internet – „Die Meute II“....................................................73
(cid:2) (cid:2)
2.6.3 Verhaltenskodizes in Deutschland und den USA im Vergleich......78
(cid:2) (cid:2)
2.6.4 Standpunkte von Berufsverbänden und -organisationen.................86
(cid:2)
2.6.5 Zwischenfazit...........................................................................................90
10 Inhaltsverzeichnis
(cid:2) (cid:2)
3 Methodische Anlage................................................................................93
(cid:2) (cid:2)
3.1 Forschungsfragen und ihre Operationalisierung...........................................93
(cid:2) (cid:2)
3.2 Experteninterviews mit Anbietern und Nicht-Anbietern............................95
(cid:2) (cid:2)
3.3 Befragung von Tageszeitungsjournalisten......................................................97
(cid:2) (cid:2)
4 Empirische Ergebnisse..........................................................................101
(cid:2) (cid:2)
4.1 Ergebnisse der Leitfadeninterviews...............................................................101
(cid:2) (cid:2)
4.1.1 Einstellungen und Motive der Unternehmen...................................102
(cid:2) (cid:2)
4.1.2 Erfahrungen der Unternehmen mit Journalisten.............................106
(cid:2) (cid:2)
4.1.3 Abwicklung der Rabatte.......................................................................107
(cid:2) (cid:2)
4.2 Befragungsergebnisse.......................................................................................109
(cid:2) (cid:2)
4.2.1 Merkmale der befragten Tageszeitungsjournalisten........................110
(cid:2) (cid:2)
4.2.2 Einstellungen der Journalisten gegenüber Rabatten........................111
(cid:2) (cid:2)
4.2.3 Rabattnutzung der Journalisten..........................................................122
(cid:2)
4.2.4 Zusammenhänge zwischen den Merkmalen der Befragten
(cid:2)
und ihren Einstellungen und Nutzungsmustern..............................128
(cid:2) (cid:2)
4.2.5 Fazit der Befragung...............................................................................140
(cid:2) (cid:2)
5 Zusammenfassung und Ausblick..........................................................143
(cid:2) (cid:2)
6 Quellenverzeichnis................................................................................147
(cid:2) (cid:2)
6.1 Monographien, Aufsätze und Artikel............................................................147
(cid:2) (cid:2)
6.2 Internetquellen..................................................................................................154
(cid:2) (cid:2)
6.3 Verzeichnis der Leitfadeninterviews..............................................................160
(cid:2)