Table Of ContentHeidelberger Akademie der Wissenschaften
Supplement zu den Sitzungsberichten der
Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse
Jahrgang 1991
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Fritz Linder
(Hrsg.)
In memoriam
Karl Heinrich Bauer
Feier aus AnlaB des 100. Geburtstages
26. September 1990
Mit 13 Abbildungen
Springer- Ver lag
Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo
Hong Kong Barcelona
Budapest
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Fritz Linder
em. o. Professor der Chirurgie
der UniversiUit Heidelberg
Waldweg 25, W-6900 Heidelberg 1
ISBN-13:978-3-642-84561-1
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
In memoriam Karl Heinrich Bauer: Feier aus AnlaJ3 des 100. Geburtstages 26. September 19901
Fritz Linder (Hrsg.) - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong;
Barcelona; Budapest: Springer. 1991
(Supplement zu den Sitzungsberichten der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse/Hei
delberger Akademie der Wissenschaften; Jg. 1991)
ISBN-13:978-3-642-84561-1 e-ISBN-13:978-3-642-84560-4
DOl: 10.1007/978-3-642-84560-4
NE: Linder. Fritz [Hrsg.); Heidelberger Akademie der Wissenschaften/Mathematisch-Natur
wissenschaftliche Klasse: Sitzungsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse.
Heidelberger Akademie der Wissenschaften/Supplement
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1991
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1991
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Vorwort
Am 26. September 1990 ware der Gro13e Arzt und Wissenschaftler Karl Heinrich
Bauer hundert Jahre alt geworden. Aus dies em Anla13 fand in dem neu errichteten
Auditorium des von Bauer initiierten "Deutschen Krebsforschungszentrums" ein
wissenschaftliches Symposium statt. An diesem beteiligten sich die Universitat
Heidelberg, Bauers fruhere Chirurgische Klinik, die Deutsche Gesellschaft fur
Chirurgie und der von Bauer ins Leben gerufene "Verein fur die Forderung der
Krebsforschung in Deutschland e. V. " .
Die Veranstaltung erfolgte in Stufen:
Akademische Gru13worte, eingeleitet durch den Rektor der Universitat Hei
delberg, Magnifizenz Prof. Volker Sellin,
Vortrage zur Charakterisierung des Verstorbenen als Lehrer, Forscher und
Arzt,
die Verleihung des K. H. Bauer-Gedachtnispreises an zwei verdiente jugendli
che Forscher durch den Prasidenten des ,Yereins", Prof. Dr. Dr. Bernhard
Timm, schlie13lich durch
Festvortrage zur aktuellen Tumorchirurgie und zum Stand der Mutations
theorie Bauers im Lichte moderner Genpathologie.
Aus der Summe des sen, was vorgetragen, nicht ohne Kritik prasentiert, aber
auch nachvollzogen wurde, ging erneut hervor, eine welch au13erordentliche Bega
bung Bauer auszeichnete. Selten finden sich die Kardinaltugenden eines Gelehrten
- Originalitat, Einfallsreichtum, konsequente Verfolgung einmal als richtig er
kannter Ziele, unermiidlicher Flei13 - in so vollstandiger Differenzierung ent
wickelt wie bei diesem ungewohnlichen Menschen, dessen Personlichkeit Genera
tionen von Arzten und Krebsforschern richtunggebend beeinfIu13te.
Die hiermit der Offentlichkeit vorgelegte Zusammenstellung findet ihren Ab
schlu13 durch eine "K. H. Bauer-Gedachtnisvorlesung", die der derzeitige Stif
tungsbevollmachtigte des DKFZ, Prof. Harald zur Hausen, am 8. Dez. 1990 am
gleichen Ort gehalten hatte.
Heidelberg, im April 1991 1m Auftrag
Fritz Linder
Inhaltsverzeichnis
GrujJworte
Prof. Dr. Volker Sellin, Rektor der Universitat Heidelberg 3
Prof. Dr. Dr. h. c. Harald zur Hausen,
Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Krebsforschungszentrums 6
Prof. Dr. Christian Herfarth,
Dekan der Medizinischen Fakultat I der Universitat Heidelberg
K. H. Bauer - Werk und Wirkung - ein rationaler Zugang .......... 7
Prof. Dr. Edgar Ungeheuer,
Generalsekretar der Deutschen Gesellschaft fUr Chirurgie 12
Vortriige
K. H. Bauer als Chirurgischer Lehrer
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Fritz Linder 17
K. H. Bauer als Wissenschaftler
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wilhelm Doerr 20
K. H. Bauer als Pionier der Krebspravention
Prof. Dr. Dietrich Schmahl ....................................... 24
Preisverleihung
Verleihung des Karl Heinrich Bauer-Gedachtnispreises
Prof. Dr. Dr. h. c. Bernhard Timm ................................. 33
Laudatio zur Verleihung des K. H. Bauer-Gedachtnispreises
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gotthard Schettler ......................... 35
Dankesworte anlaBlich der Verleihung des K. H. Bauer-Gedachtnispreises
Dr. Wolfgang H. Caselmann ...................................... 38
Dr. Alexander S. v. Kekule ........................................ 39
VIII Inhaltsverzeichnis
Ausblicke
Krebschirurgie heute
Prof. Dr. Christian Herfarth 43
Genetische Grundlagen der Tumor- und Metastasensuppression
bei Drosophila und Mensch
Prof. Dr. Elisabeth Gateff ........................................ 51
Krebsforschung und Medizin:
Molekularbiologisches GrundlagenversUindnis
auf dem Weg zur praktischen Anwendung
Prof. Dr. Dr. h. c. Harald zur Hausen .............................. 62
Gruflworte
Professor Volker Sellin, Rektor der UniversiUit Heidelberg
Meine Damen und Herren,
Gedachtnisfeiern sind ein StUck des akademischen Lebens. Zugleieh gehort es zu
den spezifischen Verhaltensweisen von Wissenschaftlern, den Sinn und die Recht
fertigung solcher Feiern immer wieder in Frage zu stell en.
Gerade in Deutschland herrscht aufgrund der Traditionsbruche und der morali
schen Krisen dieses Jahrhunderts eine besondere Sensibilitat fUr die Fragwurdig
keit von MaBstaben, an deren Geltung noch die Generation unserer Eltern nieht
zweifelte.
Auch Karl Heinrich Bauer hat im Laufe seines Lebens Vorstellungen vertreten,
die wir heute als zeitbedingt und fragwurdig erkennen. Zwei Publikationen Bauers
aus den dreiI3iger Jahren sind wiederholt und auch in jungster Zeit in dies em Sin
ne in der Presse diskutiert worden. Schon deshalb muB ich an dieser Stelle auf
die Zusammenhange eingehen.
Bauer hat sich in den zwanziger J ahren Grundgedanken der eugenischen Bewe
gung zu eigen gemacht - eine in vielen Landern anzutreffende, auf erbbiologi
schen und sozialdarwinistischen Pramissen fuBende Stromung, die angesiehts der
Fortschritte der Medizin und des Sozialstaats fur die Zukunft der Menschheits
entwieklung einen ProzeB der negativen Auslese befUrchtete. 1926 verOffentlichte
Bauer ein Buch uber "Rassenhygiene". "Rassenhygiene" bedeutet so viel wie Euge
nik, ist also nicht mit Rassismus zu verwechseln.
Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (die Vorgangerin der Max-Planck-Gesell
schaft) grundete im Jahre 1927 ein Institut fUr Anthropologie, menschliche Erb
lehre und Eugenik. Die Abteilung fUr Eugenik leitete der Jesuit Hermann
Muckermann. Er wurde 1933 entlassen und muBte spater emigrieren. Dem Kura
torium des Instituts gehorten u. a. der Theologe Adolf von Harnack und der So
zialdemokrat und ehemalige Finanzminister Rudolf Hilferding an.
Daran zeigt sieh, daB die Eugenik (oder Rassenhygiene) damals als eine Wissen
schaft angesehen wurde und daB das Interesse fUr ihre Fragestellungen mit ganz
verschiedenen politischen Uberzeugungen vereinbar war.
Wie viele andere Ideen und Traditionen, so hat der Nationalsozialismus auch
den eugenischen Gedanken in sein Programm aufgenommen, zugleich aber radi
kalisiert und schlieI31ich pervertiert.
Das Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses von 1933, das von rassen
hygienischen Zielvorstellungen bestimmt war, hat Bauer 1934 und noch einmal
1936 in seinen Auswirkungen auf die chirurgische Praxis erlautert. Bauer hat an
4 V. Sellin
einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes Kritik geiibt; im iibrigen hat er es jedoch
in den Zusammenhang der Vorstellungen eingeordnet, die er seIber in den zwanzi
ger lahren vorgetragen hatte, auch wenn es mit der Ermoglichung von zwangswei
sen Sterilisationen aufgrund von Anordnungen sogenannter Erbgesundheitsge
richte weit dariiber hinaus ging.
Wenn wir uns heute am 100. Geburtstag Bauers zu seinem Gedachtnis versam
meln, so halten wir uns an diejenigen seiner Leistungen, die bleibende Bedeutung
erlangt haben. Wir heben hervor, was dieser Mann fUr die Chirurgie, fUr die
Krebsforschung und fUr die Universitat Heidelberg getan hat.
Eine solche unterscheidende Vergegenwartigung des sen, was wir bei einem
Menschen riickblickend als wertvoll und weiterwirkend anerkennen, ist legitim
und natiirlich. ledes lebendige Andenken ist selektiv.
Das heiBt nicht, daB die weniger iiberzeugenden Seiten in einer Biographie ver
schwiegen werden sollen. Wir riicken sie nur deshalb nicht in den Mittelpunkt,
weil sie uns bei der Bewaltigung unserer Zukunftsaufgaben nicht helfen konnen.
Wem eine solche unterscheidende Erinnerung des dauerhaft Wertvollen nicht
moglich erscheint, der muB auf Gedenkfeiern und auch auf aIle anderen Formen
des Gedachtnisses verzichten. Er muB aber wissen, daB er damit nur dem Verges
sen Vorschub leistet.
Am Vergessen sind wir im FaIle Karl Heinrich Bauers jedoch schon dadurch ge
hindert, daB wir in vieler Hinsicht noch unmittelbar auf dem Boden stehen, den
er gelegt hat. So gesehen ist dieses Symposium zu seinem Gedachtnis nichts ande
res als ein Ausdruck der Anerkennung einer ungewohnlichen Leistung, die vielfal
tig fortwirkt. Diese Anerkennung heute verweigern zu wollen, ware gedankenlos
und ungerecht.
Die Bedeutung Bauers als Forscher und Lehrer der Chirurgie wird im Laufe der
Veranstaltung dargestellt werden.
DaB eine seiner groBen und fruchtbaren Werke die Griindung des Deutschen
Krebsforschungszentrums gewesen ist, wird schon durch den Ort dieser Veranstal
tung veranschaulicht. Ich brauche nicht eigens hervorzuheben, daB die Erfor
schung und Bekampfung des Krebses nicht nur eine Herausforderung fUr die Wis
senschaft, sondern auch ein zutiefst menschliches Anliegen darstellt.
Als Rektor der Universitat mochte ich dariiber hinaus zwei Gesichtspunkte her
vorheben.
Das von Bauer ins Leben gerufene DKFZ ist nicht nur ein weltweit anerkanntes
Institut zur Erforschung aller Formen des Krebses geworden, sondern zugleich
auf vielen Gebieten der biowissenschaftlichen und medizinischen Forschung ein
enger Partner der Universitat Heidelberg. Bauer hat mit der Griindung des DKFZ
der Universitat, des sen medizinischer Fakultat er angehorte, nicht zuletzt dadurch
gedient, daB er ihre wissenschaftliche Attraktivitat und ihren Wirkungsgrad -
angesichts der gegebenen Moglichkeiten zur Zusammenarbeit - in diesen Berei
chen erheblich gesteigert hat.
SchlieBlich sei daran erinnert, daB es in der Geschichte der Universitat als be
sonderer Gliicksfall zu werten ist, daB nach dem Zusammenbruch des Hitlerreichs
ein Unbelasteter von der Tatkraft Bauers bereit stand, urn die Universitat zunachst
als Miglied des sogenannten Dreizehnerausschusses, dann als erster frei gewahlter
Rektor nach dem Krieg zu leiten.