Der Bankier - Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim

69 Pages·2016·1.99 MB·German

by  Rügemer

Werner Rügemer
Der Bankier
Ungebetener Nachruf
auf Alfred Freiherr von Oppenheim
Geschwärzte Übergangsausgabe bis zur Gerichtsentscheidung
nomen
Inhalt
Vorwort des Verlages 1
Zensur findet nicht statt - dafür Verkaufsstopp VII
Von Prof. Dr. See
Chronologie der Ereignisse XXII
Vorwort 7
Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim 11
Die Trauerfeier im Hohen Dom zu Köln 46
Am Grab des reichsten Bürgers der Stadt 60
Vom roten zum schwarzen Filz. Die Kölner Messehallen 69
Umschlaggestaltung: Diskrete Treuhänder. Die Bank Oppenheim 77
Nomen Verlag, Frankfurt am Main unter Verwendung
eines Fotos von Atelier Esser, Düsseldorf Editorische Notiz 106
Satz, Druck und Bindung:
Nexus Druck, Frankfurt am Main
3. Nochmals geschwärzte Ausgabe der bereits geschwärzten
Auflage 2006
© Nomen Verlag, Frankfurt am Main
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Germany
ISBN 10: 3-939816-00-0
ISBN 13: 978-3-939816-00-3
Vorwort
In der Bundesrepublik gibt es zwar keine Zensur, aber mit
Geld und ifir Geld gibt es Möglichkeiten, auch auf anderem
Wege eine unangenehme Veröffentlichung zu verhindern.
Das beweist das Verhalten der Oppenheimbank. Schon nach
der Prospektankündigung für die Buchhändler bedrohte man
unseren Verlag mit einer Abmahnung. Man bedrohte uns mit
Kosten, man bedroht die Vertriebe mit Kosten und man be-
Gewidmet Carl Amery droht die Buchhändler mit Kosten, wenn sie unser Buch
vertreiben. Des Weiteren bedroht man Verlag, Autor und
Buchhändler mit künftigen Kosten durch Gerichtsurteile.
Die einstweilige Verfügung macht dies möglich. Für die
einstweilige Verfügung muss natürlich eine eidesstattliche
Versicherung von den Klägern zur Glaubhaftmachung der
eigenen Behauptungen abgegeben werden.
Wenn im Normalfall mit einer einstweiligen Verfügung die
eigene Würde und Ehre verteidigt werden soll, ist das zu
akzeptieren. Wenn es aber dazu dient, das unwürdige und
unehrenhafte Verhalten der Bank während der Nazizeit
(Mitwirkung bei Arisierungen) sowie in der Nachkriegszeit
(Parteienfinanzierung) und ihre noch aktuellen Verwicklun-
gen in Geschäfte mit Kommunen vor der Öffentlichkeit zu
verbergen, dann ist das nicht akzeptabel. Denn unsere De-
mokratie lebt davon, dass solche Fakten an die Öffentlich-
keit gelangen.
In unserem Buch „Der Bankier" dürfen wir aber über die
Beteiligung der Bank als „Mitgewinner bei der Arisierung"
und andere Formen des Machtmissbrauchs berichten. Die
einstweilige Verfügung wurde gegen marginale Aussagen
erwirkt. Da wir das Buch nun aufgrund dieser beanstandeten
Marginalien nicht mehr vertreiben dürfen, wurden der Öf-
fentlichkeit auch die gesellschaftspolitisch relevanten Aus-
sagen vorenthalten. Es ist uns sogar untersagt aufzuzeigen,
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mit welchen Banalitäten die wirklich bedeutsamen Informa- enthalten wird. Sie sind ein beredtes Dokument für den Um-
tionen dieses Buches unterdrückt werden. Greift diese Me- gang der Mächtigen mit den Grundrechten unserer Gesell-
thode der privatisierten Zensur um sich, wird bald kein Au- schaft. Die Methoden, wie dieses Buch zu verhindern ver-
tor mehr gesellschaftskritische Bücher schreiben. Wenn aber sucht wurde und wird, sind geeignet für ein Lehrstück in
doch, wird kein Verlag es mehr wagen, sie zu veröffentli- Sachen Bankenmacht und Demokratie.
chen. Dann wird es sich auch jeder Doktorand zweimal
überlegen, ob er seine Dissertation veröffentlichen kann, Vor einigen Monaten hatte ich den Namen der Bank zwar
ohne ein großes finanzielles Risiko einzugehen. Denn ein schon einmal gehört, aber ich verband mit ihm nichts. Als
geschäftstüchtiger Anwalt könnte ja Anhaltspunkte finden, man uns anbot, das Buch zu verlegen, dachte ich, dass es
die für eine Abmahnung und einstweilige Verfügung rei- wahrscheinlich nur einen kleinen Leserkreis interessieren
chen. würde. Da der Autor ein brillanter kritischer Journalist ist
und einen guten Ruf hat, auch seiner guten Recherchen we-
Um diese sozial— und demokratiefeindliche Praxis nicht gen, aber auch wegen des wachsenden Interesses der Öffent-
einreißen zu lassen, haben wir uns entschlossen, die bean- lichkeit an der Bankenmacht, hielt ich es für wichtig und
standeten Stellen des Buches zu schwärzen und das Buch - richtig, dieses Buch einem breiten Publikum zugänglich zu
sozusagen zensiert - erneut aufzulegen und den Lesern zu- machen.
gänglich zu machen. Die Schwärzungen stören zwar etwas
beim Lesen, da aber die wesentlichen Informationen nicht Mir ging natürlich auch noch einmal die Sache mit dem Ge-
beanstandet wurden, nicht beanstandet werden konnten, winn durch die faschistische Arisierung durch den Kopf. Ich
verliert der Text allenfalls etwas von seinem stilistischen dachte an meine eigene Diplomarbeit, die sich mit Traumati-
sierungen in Konzentrationslagern auseinandersetzte. „Mit-
Reiz.
gewinner bei der Arisierung", das hört sich zunächst an wie
Wir haben uns entschlossen, die Käufer dieser geschwärzten „er hat einen Steuervorteil genutzt". Wenn man es sich aber
Ausgabe über den Streit zu informieren, soweit dies bis zur genau überlegt, hat jeder, der, und sei es indirekt, einen Ge-
gerichtlichen Klärung des Falles überhaupt möglich ist. winn aus den Verbrechen der Nazis gezogen hat, zu deren
Denn wir dürfen - das ist in solchen Streitfällen nicht anders Verbrechen beigetragen. Hieraus haben inzwischen zahlrei-
möglich - auch nicht indirekt mitteilen, was sich hinter den che Unternehmen - wenn auch widerwillig - Konsequenzen
geschwärzten Textstellen verbirgt. Die Leser und Leserinnen gezogen, ihre Vergangenheit aufarbeiten lassen und sogar
würden wahrscheinlich gar nicht begreifen, dass es in einer Entschädigungszahlungen akzeptiert.
liberalen Gesellschaft möglich ist, wegen solcher - gemes-
sen an den eigentlichen Kritikpunkten des Autors - Belang- Denn die Anteile an arisierten Vermögen sind ja nicht alles,
losigkeiten ein Buch vom - angeblich freien - Markt zu an ihnen hängen viel größere Anteile an Erniedrigungen,
verbannen. Wir werden jedem Käufer dieser geschwärzten Ängsten, Schrecken und - sofern diese Opfer die Hölle des
Ausgabe nach Beendigung des Rechtsstreites auf Verlangen NS-Terrors überhaupt überlebten - eine lebenslange Trau-
den gerichtlich gebilligten Text zusenden. matisierung, die mit Entschädigungszahlungen, in welcher
Die Durchsetzung der Schwärzungen verrät mehr über die Höhe auch immer - nicht wieder gut zu machen sind. Sie
Bank als das, was den Lesern durch die Schwärzungen vor- müssen aufgearbeitet werden. Auch die Bank Oppenheim
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kann letztendlich die Aufarbeitung ihrer Geschichte nicht gleichzeitig deutlich werden wird, dass hier nur ein weiterer
verhindern. Wenn sie es nicht tut, werden es andere versu- Versuch unternommen wurde, berechtigte Kritik am Miss-
chen. Aber es geht dem Autor gar nicht um diesen einen brauch von Bankenmacht mit formaljuristischen Mitteln
dunklen Fleck in ihrer Geschichte, sondern um die Kontinui- abzuwürgen. Das kann ihr kleine Verlage das Ende bedeu-
tät ihrer keineswegs lupenreinen Macht- und Einflusspolitik ten, und dies in einer Zeit, in der der Staat Milliarden aus-
über die gesamte Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. gibt, angeblich, um den Mittelstand vor der geballten Macht
der Großunternehmen zu schützen.
Bei einem Familienunternehmen wie der Bank Oppenheim
sind Besitzer und Verantwortliche der Bank die gleichen Um einmal die Situation aufzuzeigen, präsentiere ich hier
Personen. Man kann nicht als Leiter der Bank einen Verbre- unsere Kalkulation ihr das Buch „Der Bankier".
cher wie Hitler - in welcher Form auch immer - unterstützt
haben und als Privatperson mit den begangenen Verbrechen Druck von 800 Büchern ä EUR 12 Ladenpreis = EUR 9.600
nichts zu tun gehabt haben wollen. Es ist also ein Recht der
70/o enthaltene MWST. = EUR 672
jüngeren Generationen zu fragen, welche Rolle die Wirt-
schaftseliten im Falle der Bank Oppenheim und die Persön- Netto-Ladenpreis = EUR 8.928
lichkeiten der Bank in dieser Zeit gespielt haben. Dies um so - 1 ()/o Autoren-Honorar = EUR 893
mehr, wenn man feststellen muss, dass sich die Bank auch - 55% Vertrieb + Vertreter = EUR 4.910
nach 1945 massiv in die Politik mit dem Ziel einmischte,
Resteinnahme = EUR 3.125
Wählerwillen und Politiker am öffentlichen demokratischen
- Druckkosten = EUR 2.287
Meinungsbildungsprozess vorbei zu beeinflussen. Wenn Dr.
Rügemer mit dem, was Lesern und Leserinnen durch Rest lItt Verlagskosten = EUR 838
Schwärzungen vorenthalten wird, die Persönlichkeitsrechte
des Bankiers Oppenheim und der Bank wirklich verletzt
haben sollte, muss man sich als Verleger ernsthaft fragen,
Von diesen EUR 838 gehen noch ab:
warum sich die Bank und des Bankiers Erben nicht öffent-
lich für die ihnen von Rügemer vorgeworfenen sozialschäd-
1. Kosten ihr den Satz,
lichen und demokratiefeindlichen Praktiken endlich ent-
2. Kosten ihr die Gestaltung des Buchumschlages,
schuldigen. Denn derartige Praktiken waren und sind es
3. Kosten ihr das Korrekturlesen,
doch, die nicht nur die Persönlichkeitsrechte, sondern auch
4. Kosten ihr sonstige Verlagsarbeit.
die demokratischen und sozialen, letztendlich die Menschen-
rechte von Millionen von Bürgern und Bürgerinnen über
Dem stehen gegenüber:
Generationen mit Füßen getreten haben.
- Mögliche Kosten aus Prozessen und vielen
Wir gehen davon aus, dass sich während der Rechtsstreitig-
Abmahnungen gegen uns und Buchhändler,
keiten herausstellen wird, dass von den angeblichen Un-
- eine Strafandrohung von EUR 250.000 pro Fall der
wahrheiten und Unterstellungen, die in dem Buch „Der Ban-
Zuwiderhandlung,
kier" stehen sollen, nichts von Belang übrig bleiben und
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- eine Strafandrohung von 6 Monaten Gefängnis. pro Fall das, worum es wirklich geht, nur am Rande. Das Problem,
ob man die „Eindrücke", ob richtig oder falsch, die die Pra-
Wer schützt Verlage, Autoren und Buchhandel vor diesen xis einer Anwaltskanzlei oder eines anderen Unternehmen
Übergriffen? Wo sind die Parlamentarier, die die fragwürdi-
hinterlässt, in einer Kritik nicht mehr erwähnen darf, lasse
ge Gesetzeslage überprüfen und ändern, wo die politischen ich gerichtlich klären. Sollten Gerichte auch der letzten In-
Kräfte und die Medien, die entsprechenden demokratischen
stanz die Methoden von Scherz Bergmann absegnen, könn-
Druck auf die Parlamentarier ausüben, wo die Richter, die ten innerhalb kürzester Zeit alle kritischen Zeitungen und
diese Gesetze so auslegen, dass am Ende die Presse- und Zeitschriften, einschließlich SPIEGEL, ihr Erscheinen ein-
Meinungsfreiheit nicht zur Strecke gebracht werden kann? stellen.
Harry Neubert Nomen Verlag
Anmerkung zur „geschertzten" Kritik an der Anwalts- Zensur findet nicht statt - dafür Verkaufsstop
kanzlei Schertz Bergmann
Prof. Dr. Hans See
Die erste geschwärzte Auflage dieses Buches ist vergriffen.
Die jetzige muss mit einer weiteren Schwärzung erscheinen. Ein Trend, den Business Crime Control schon seit längerer
Diesmal wurde meine in der vergriffenen Auflage abge- Zeit beobachtet, scheint sich zu bestätigen. Immer häufiger
druckte Kritik an den Methoden der Berliner Anwaltskanzlei wird Kritik an Mächtigen, obgleich doch gerade diese das
Schertz Bergmann zum Gegenstand eines privaten Angriffs Lebenselixier jeder Demokratie ist, von spezialisierten An-
auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Ich würde nach dieser waltskanzleien mit juristischen Mitteln im Keim erstickt.
Erfahrung in meine Kritik auch die Unterzeichner der Sprecher von Bürgerinitiativen, die in Tageszeitungen Inter-
Einstweiligen Verfügung des Berliner Landgerichts einbe- views geben, Buchautoren, die sozialschädliche Praktiken
ziehen, weil sie ohne mündliche Verhandlung diese Verfü- von Politikern, Unternehmern, Managern anprangern und
gung erlassen hat. In meinem Beitrag wird die Methode der dabei Ross und Reiter nennen, werden mit Strafanzeigen und
Anwaltskanzlei (unter Einbeziehung allgemein beobachteter Unterlassungsklagen mundtot zu machen versucht. In vielen
Tendenzen, also nicht nur auf Schertz Bergmann bezogen)
Fällen bedeutet dies den wirtschaftlichen und existentiellen
kritisiert. Diese Methode hat bei allen Betroffenen - auch bei Ruin für Sprecher von Bürgerinitiativen, kritische Autoren
mir - genau jene Eindrücke erzeugt, die ich in meinem Be- und kleine Verlage. Dass diese Entwicklung die von der
richt geschildert habe und die ich - weil sie falsch sein sol- Verfassung untersagte Zensur zu ersetzen vermag, zeigt sich
len - unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 am Beispiel der Auseinandersetzungen zwischen dem Frank-
Euro nicht mehr veröffentlichen bzw. verbreiten lassen darf. furter Nomen Verlag und dem Autor Dr. Werner Rügemer
Diese Passagen sind in diesem Buch nun ebenfalls ge- auf der einen und der von einer Berliner Anwaltskanzlei
schwärzt. Sie berühren - wie alle beanstandeten Passagen - vertretenen Bank Oppenheim auf der anderen Seite.
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Schutz der Persönlichkeitsrechte oder Zensur? mögensdepot für den vormaligen Verteidigungsminister
Scharping eingerichtet habe.
Noch bevor das Buch von Werner Rügemer „Der Bankier.
Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim" Wer allerdings glaubt, diese Wirtschaftspraktiken seien Ge-
auf dem Markt war, haben ausgerechnet tüchtige Marktwirt- genstand der Unterlassungsklagen gegen Verlag und Autor,
schaftler, in diesem Fall die Berliner Anwaltskanzlei Schertz irrt. Die gerichtliche Unterlassungsverffigijng mit ihren exis-
Bergmann, sein Erscheinen mit Androhungen von Unterlas- tenzbedrohenden Folgen für Rügemer, dem zusätzlich eine
sungsklagen zu verhindern versucht. Der Kanzlei genügte Strafanzeige von Seiten der sich wegen kritischer Bemer-
schon die Ankündigung des Buches in einem kleinen Ver- kungen beleidigt fühlenden Anwaltskanzlei angekündigt
lagsprospekt, um massiv die Unterlassung der Veröffentli- wurde, und den jungen Frankfurter Nomen Verlag, gegen
beide richtet sich der justizielle Angriff, hat an keiner der
chung zu fordern.
eigentlich wichtigen Vorhaltungen Anstoß genommen. Die
mit dem Fall befasste Berliner Anwaltskanzlei Schertz Berg-
Fest steht aber, dass zu diesem frühen mann - auf die Wahrung der „Persönlichkeitsrechte" von
Zeitpunkt die Forderung noch mit dem Vorwurf begründet Unternehmen und Prominenten spezialisiert - hat offen-
wurde, dass Rügemers Aussage, „dass das Bankhaus mit sichtlich keine andere Möglichkeit gesehen, die Verbreitung
Kriegskrediten für europäische Könige aufgestiegen sein der tatsächlich unschönen Wahrheiten zu verhindern.
soll, schlicht falsch ist". Inzwischen aber wurden diese ers-
ten Einwände und manch anderer Punkt der späteren Samm-
Kritikwürdige Rechtspraxis
lung von Unwahrheiten unkommentiert aus dem Unterlas-
sungskatalog wieder herausgenommen.
Dass die Kanzlei das Buch verhindern wollte, noch bevor es
in Druck ging, seinen Inhalt also noch gar nicht kennen
konnte, ist eine durchaus kritikwürdige Praxis.
Wie ist das
möglich? Nun, in diesem kleinen Bändchen kann man nach-
lesen, die Bank habe im Nationalsozialismus an der Arisie-
rung mitgewirkt. Es wird auch darüber berichtet, dass die Nachdem das Buch im
Bank bei der geheimen Parteienfinanzierung in der Bundes- Handel zu haben war, setzte die Kanzlei unter Berufung auf
republik der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle spielte und den Schutz der „Persönlichkeitsrechte" der Bank, vertreten
wie diese Praxis aussah. Wir erfahren auch, die Bank prakti- durch den Sprecher Graf von Krockow, zwei einstweilige
ziere die sozialschädliche Vermögensverwaltung für das Verfügungen durch. Gleichlautende einstweilige Verfügun-
oberste Segment der Reichen (Geldanlagen ab 5 Millionen gen sind sowohl an den Frankfurter Nomen Verlag als auch
Euro aufwärts). Und es werden die Aktivitäten der Bank bei an den Autor des Buches gerichtet. Beide werden für den
der fragwürdigen, von Rügemer als sozialschädlich einge- Inhalt des Buches haftbar gemacht. Wenn von einem Klein-
stuften Privatisierungspolitik in Kommunen kritisiert. Fast verlag, der erst 2005 gegründet wurde, verlangt wird, was
nebenbei wird auch noch vermerkt, dass die Bank ein Ver- nicht einmal von Großverlagen mit eigenem Lektorat und
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eigenen Justiziaren zu finanzieren ist, nämlich nicht nur die Mandanten der Kanzlei selbst inzwischen weitere Punkte
zentralen und kritischen Aussagen eines Autors, sondern fallengelassen, die vorher schon einmal als Unwahrheiten
auch kleinste Nebensächlichkeiten auf ihre Gerichtsfestig- auf den Index gesetzt worden waren. Und viele Punkte gehö-
keit, ihre ‚juristische Belastbarkeit", wie man das heute ren zu der Kategorie von Wahrheiten bzw. Unwahrheiten,
nennt, zu überprüfen, lässt sich das große Sterben kleiner die wahrscheinlich immer strittig sein und bleiben werden,
Verlage voraussehen. weil sie nicht mit objektiven Maßstäben zu messen sind.
Autor und Verlag werden hoffentlich von ihren Anwälten
Die Kanzlei Schertz Bergmann verschickte aber auch An- prüfen lassen, ob hier nicht eine Gegenklage wegen Ver-
schreiben an Buchvertriebe und einzelne Buchhändler mit leumdung, Ruf- oder Geschäftsschädigung möglich ist.
der Aufforderung, die Unterlassungserklärungen zu unter- Auch Verlage und Autoren haben einen Ruf zu verlieren,
schreiben, weil sie für den Inhalt des Buches „haften". Diese wenn ihnen unterstellt wird, Unwahrheiten zu verbreiten, die
Schreiben sind unkorrekt; sie würden vielleicht sogar als aus ihrer Sicht Wahrheiten oder Werturteile sind.
verfassungswidrig erkannt, wenn die gegenwärtige, meines
Erachtens die Presse- und Meinungsfreiheit bedrohende
Gesetzeslage, die solche Praktiken zuzulassen scheint, vom
Bundesverfassungsgericht überprüft würde. Jedenfalls halte Gründe, Hintergründe, Abgründe
ich sie für juristisch anfechtbar, weil aus ihnen nicht zu erse-
hen ist, dass es sich um berechtigte Unterlassungsforderun- Nun ist interessant zu wissen, dass Werner Rügemer seinen
gen handelt. Es wird in diesen Anschreiben behauptet - Ge- jetzt als Buch veröffentlichten Essay ursprünglich auf Bitten
genbeweise muss man nicht erbringen -‚ in dem Buch seien von Carl Amery für einen Sammelband geschrieben hat, der
zwei Dutzend Unwahrheiten enthalten. Das reicht gegenwär- später unter dem Titel „Briefe an den Reichtum" beim Ver-
tig, um Buchhändler zu unfreiwilligen Vollstreckern der lag Luchterhand erschien. Allerdings ohne Rügemers Bei-
Ansichten einer Anwaltskanzlei der Bank zu machen. Da trag. Dessen juristische Überprüfung durch Lektorat und
spielt es offensichtlich keine Rolle, ob überhaupt schon Justiziare des Luchterhandverlags hatte zunächst Bedenken
gerichtlich entschieden ist, dass es sich bei den beanstande- ausgelöst, die aber nach Klärung jedes einzelnen Zweifels-
ten Stellen um Unwahrheiten handelt. Diese Rechtslage er- falles zur Entscheidung des Verlags geführt hatten, den
spart eine staatliche Zensur. Es genügt schon, ein paar be- „Brief" zu drucken. Dass er dann in letzter Minute doch
langlose Tatsachenbehauptungen als Unwahrheiten zu dekla- noch herausgenommen wurde, lag einzig daran, dass der
rieren und dies eidesstattlich zu versichern, schon erlassen Adressat des „Briefes", der Bankier Alfred Freiherr von
Gerichte - es eilt ja - ohne Anhörung der Gegenseite eine Oppenheim, plötzlich starb. Es versteht sich, dass Luchter-
einstweilige Verfügung. Eine Anwaltskanzlei braucht also hand einen kritischen „Brief' an den inzwischen Verstorbe-
einem Autor oder Verlag nur zu unterstellen, sie würden nen nicht mehr veröffentlichte. So wurde daraus ein „Unge-
Unwahrheiten verbreiten und die Persönlichkeitsrechte ihres betener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim", wie
Mandanten verletzen, und schon kann sie mit Hilfe eines der Untertitel des Buches jetzt heißt.
Gerichts, das sich einzig auf eidesstattliche Erklärungen der
Klägerseite stützt und stützen kann, Behauptungen ungeprüft Und nun zur Frage: Warum sollte Rügemer, und warum
wie Wahrheiten behandeln. Dabei wurden doch von den sollte der Nomen Verlag nicht veröffentlichen, was zuvor