Table Of ContentGerhard Habicht
Care Sharing
Von der Angehörigenpfl ege
zur Selbsthilfe in sorgenden
Gemeinschaften
Care Sharing
Gerhard Habicht
Care Sharing
Von der Angehörigenpflege
zur Selbsthilfe in sorgenden
Gemeinschaften
Gerhard Habicht
Allensbach, Deutschland
ISBN 978-3-658-17844-4 ISBN 978-3-658-17845-1 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-658-17845-1
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Lektorat: Margit Schlomski
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Für Svetlana. Ohne sie gäbe es weder Care Sharing noch
dieses Buch
Warum dieses Buch?
Die Familien stehen bei der Pflege ihrer Angehörigen mit
dem Rücken zur Wand, weil sie immer kleiner und die
Pflegebedürftigen immer zahlreicher werden. Die poli-
tisch Verantwortlichen wissen das längst. Sie haben keinen
Plan B, erwecken aber den Anschein, als hätten sie alles
im Griff. Die Bürger leisten Bewundernswertes in ihren
Familien, aber die demografische Entwicklung fordert
ihren Tribut. Zeit, die aktuelle Situation unter die Lupe zu
nehmen, bestehende Versorgungstrukturen zu hinterfragen
und mögliche Perspektiven auszuloten. Mit Care Sharing
möchte ich Ihnen ein Konzept vorstellen, das versucht,
brachliegende gemeinschaftliche Strukturen mit den tech-
nischen Neuerungen der Digitalisierung zu kombinieren.
Care Sharing ist ein radikales Selbsthilfe-Konzept für
eine runderneuerte Angehörigenpflege. Es besteht im
Kern darin, das Helferpotenzial zu verbreitern und den
VII
VIII Warum dieses Buch?
Pflegealltag für alle Beteiligten zu erleichtern. Die Auf-
bauphase ist kurzfristig umsetzbar und besteht aus einer
Internetplattform, die den Pflegealltag bestehender Hel-
ferteams vereinfachen und es der Gesellschaft ermöglichen
soll, zur Mitakteurin der Pflege-Selbsthilfe zu werden. In
der zweiten Phase sollen sorgende Gemeinschaften aufge-
baut werden, die verloren gegangene Solidarfunktionen
der Familien ersetzen sollen. Die beiden Grundpfeiler von
Care Sharing könnten innerhalb eines Zeitfensters von
etwa 5 Jahren weitgehend errichtet sein.
Die demografische Entwicklung verheißt nichts Gutes
und es scheint, als kämpfe man hier gegen Windmühlen
an. Aber ein statisches Fortschreiben vergangener Ent-
wicklungen in die Zukunft verkennt den Charakter der
Zeit, in der wir leben. Das Buch wird zeigen, dass wir vor
großen Umwälzungen stehen, die alles um uns herum in
Mitleidenschaft ziehen werden. Leider ist die Angehö-
rigenpflege in keiner Weise darauf vorbereitet. Um den
Familien zu helfen, muss man verstehen, wie sie ticken.
Um das Helferpotenzial zu verbreitern, muss man es ken-
nen und eine Vorstellung von den Herausforderungen
haben. Das archaische Verständnis von Helfen muss in
die Neuzeit transformiert und die vielen Stolpersteine,
die uns am Helfen hindern, müssen identifiziert und
überwunden werden. Mancher mag sich fragen, ob man
für die Pflege von Angehörigen so abstrakte Themen wie
die Gabenwirtschaft bemühen oder einen Bogen von der
Industrialisierung zur Digitalisierung schlagen muss. Aber
daran führt kein Weg vorbei – wer sich mit den kleinen
privaten Gemeinschaften befasst, der landet überraschend
schnell bei deren archaischen Ursprüngen. „Wir haben
Warum dieses Buch? IX
steinzeitliche Gefühle, mittelalterliche Institutionen und
eine gottgleiche Technik.“ So bringt der Biologe Edward
O. Wilson die Spannweite unserer alltäglichen Heraus-
forderungen auf den Punkt. Das ist negativ und positiv
zugleich. Das bedeutet: Wir schleppen sowohl das Prob-
lem als auch die Lösung mit uns herum.
Der vom Thema diktierte etwas ausladende Erzählbo-
gen erfordert entweder ein ausladendes Buch oder gewisse
Verkürzungen. Insofern könnte der Holzschnitt als Vor-
bild für das vorliegende Buch dienen: Grobe Verbindungs-
linien, die sich erst bei entsprechender Distanz zu einem
facettenreichen und der Wirklichkeit nahekommenden
Gesamtbild zusammenfügen. „Mache die Dinge so ein-
fach wie möglich, aber nicht einfacher“ lautet eine Forde-
rung von Albert Einstein. Dieses Buch versucht daher, die
komplexe Realität auf ihren Wesenskern zu reduzieren und
deren Grundbotschaften soweit es geht zu vereinfachen –
eben bis zu jener Stelle, wo die die Aussagen drohen, in
Simplifizierung umzuschlagen.
Dieses Buch ist weder links noch rechts. Wenn man
ihm etwas vorwerfen kann, dann seine Skrupellosigkeit,
mit der es sich aus dem Fundus der Sozialwissenschaften
bedient. Von Belang ist, was in den Kontext passt und
aufgenommen wird, was zu Lösungsansätzen beitragen
könnte. Aber die Vorgehensweise war alternativlos, denn
die Privatsphäre und kleine Gemeinschaften sind von der
Wissenschaft bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Es
ist dem Autor nichts übrig geblieben, als Koryphäen aus
verwandten Disziplinen in den Zeugenstand zu rufen,
an denen man sich orientieren und reiben kann. Das
Buch verlangt daher dem Leser einiges ab. Wer sich auf
X Warum dieses Buch?
Angehörigenpflege einlässt, muss auf einiges gefasst sein.
Dies mag für manche überraschend sein, aber Beziehungs-
geflechte, die in der Privatsphäre verwoben sind, sind
wirklich schwer zu entwirren. Greift man einzelne Fäden
auf und denkt sie zu Ende, landet man schnell an überra-
schenden Orten.
Was sich Care Sharing vorgenommen hat, ist alles
andere als banal. Dass die Bürgergemeinschaft die Dinge
wieder selbst in die Hand nimmt, ist natürlich schwer vor-
stellbar. Aber die neue Angehörigenpflege im Sinne von
Care Sharing hat zwei Pfunde, mit denen sie wuchern
kann: Technik und gesunder Menschenverstand. Wir Men-
schen sind die Großmeister der Anpassung. Wir werden
wohl auch diese Herausforderung anzunehmen wissen.
Teil I des Buches nennt die Fakten und versucht, die
zentralen Herausforderungen für die Angehörigenpflege
herauszuarbeiten. Teil II zeigt, dass in den Familien eine
verdeckte Form von Geben und Nehmen praktiziert wird,
deren Potenzial gehoben werden muss. Danach können
wir die Hürden beseitigen, die uns bisher davon abgehal-
ten haben, die demografische Herausforderung zu schul-
tern. Teil III legt die Triebkräfte offen, die unsere nahe
Zukunft prägen, und beschreibt, wie Care Sharing die
künftige Angehörigenpflege gestalten wird. Teil IV nimmt
unser Sozialsystem unter die Lupe und beschreibt, wie
unsere Bürgergemeinschaft das Heft wieder in die Hand
bekommen könnte.
Inhaltsverzeichnis
Teil I Sorglose Gemeinschaft
1 Warum wir uns sorgen sollten 3
1.1 Der demografische Wandel
spitzt sich zu 4
1.2 Demografie und Pflege 7
1.3 Zur häuslichen Pflegesituation 11
2 Sorglos wirkende Gemeinschaften 19
2.1 Ratlose Verantwortungsträger 20
2.2 Wo bleibt die Gemeinschaft? 27
2.3 Der vergessene Bürger 37
2.4 In der Blase 42
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