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ie "Wissenschaftlichen Grundfragen • dienen sowohl der philo
sophischen Forschung wie derwissenschaftlichen Arbeit der Einzel
disziplinen. Das findet seinen Ausdruck schon in den Namen der
Mitherausgeber. Die in zwangloser Folge erscheinenden Abhandlungen
werden in strenger Wissenschaftlichkeit Fragen erörtern, die die Ein
zelwissenschaff stellen muß, die sie aber ohne methodische Besinnung
auf ihre eigenen Grundlagen, also ohne wissenschaftliche Philosophie,
nicht zu lösen vermag; andererseits Fragen, die der philosophischen
Forschung aufgegeben sind, wo sie ihrem Begriff gemäß das Verfahren
der Einzelwissenschaften unte1sucht. Zwar erschöpfen sich die Ziele
der wissenschaftlichen Philosophie nicht in Analyse und Rechtfertigung
der forschenden Wissenschaft, allein sie sind nur in stetem Bezug auf
solche Rechtfertigung und Analyse zu ergreifen. In diesem Sinne
werden die "Wissenschaftlichen Grundfragen- auch Probleme aus
dem Bereich der ethischen, ästhetischen und religiösen Begriffsbildung
behandeln.
D
ie "Wissenschaftlichen Grundfragen • erscheinen in zwangloser
Folge. Der Umfang der Einzelabhandlung beträgt höchstens
4-6 Druckbogen. Die Abhandlungen sind einzeln käuflich. Manuskript
sendungen können nur nach Verständigung mit einem der Heraus
geber entgegengenommen werden.
R. Hönigswald
WISSENSCHAFTLICHE
GRUNDFRAGEN
PHILOSOPHISCHE ABHANDLUNGEN
IN GEMEINSCHAFT MIT
B.BAUCH-JENA (PHILOSOPHIE) • J. BINDER-GÖTTINGEN <RECHTSWISSENSCHAFT)
0. BUMKE-MÜNCHEN (PSYCHIATRIE) • E. CASSIRER-HAMBURG (PHILOSOPHIE)
R. HOLTZMANN-HALLE A. S. (GESCHICHTE) • H. JUNKER-LEIPZIG (SPRACH
WISSENSCHAFT). E. KALLIUS-HEIDELBERG (VEROL. ANATOMIE). A. KNESER-
BRESLAU (MATHEMATIK) • C. SCHAEFER-BRESLAU (PHYSIK)
J. STENZEL. KIEL (PHILOSOPHIE)
HERAUSGEGEBEN VON
R. HÖNIGSWALD
BRESLAU
VIII
P. BOMMERSHEIM:
BEITRÄGE ZUR LEHRE VON DING UND GESETZ
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1927
BEITRÄGE ZUR LEHRE
VON DING UND GESETZ
VON
PAUL BOMMERSHEIM
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1927
ISBN 978-3-663-15641-3 ISBN 978-3-663-16216-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-16216-2
VORWORT
Eine Untersuchung, die eine neue Frage stellt oder eine kaum berührte
Frage in den Sammelpunkt der Aufmerksamkeit rückt, kann in dreierlei
Umfang Recht suchen oder beanspruchen. Sie kann erstens ihr Verdienst
in dieser Aufdeckung eines Problems von Belang erblicken, auch wenn ihr
noch keine sachgemäße Lösung gelingt. Man weiß ja, daß die Findung
einer Frage oft wichtiger ist als der erste Versuch zu ihrer Beantwortung.
Die Untersuchung kann zweitens behaupten, auch die Frage im wesent
lichen schon beantwortet zu haben. Ein dritter Anspruch steht in der
Mitte zwischen beiden. Er glaubt, daß mehr gegeben sei als die Frage, aber
weniger als die fertige Lösung. Er glaubt, daß über die Problemstellung
hinaus die Lösung schon begonnen sei, daß auch Richtiges und deshalb
Bleibendes zur Beantwortung gesagt sei. Aber auf Grund von Frage und
richtigem Antwort-Beginn sei noch Weiterarbeit notwendig. Vorliegende
Untersuchung glaubt das Dritte von sich behaupten zu können.
Sie stellt ein in sich zusammenhängendes Gefüge von Fragen. Nach den
Untersuchungen über das Wesen des Naturgesetzes, wie sie in der Logik
der letzten Zeit geliefert worden sind, richtet sie den Blick auf die Arten
des Naturgesetzes. Dabei sucht sie die übliche Identifikation von
Kausalgesetzen und Naturgesetzen zu widerlegen. Auch die Kausalgesetze
sind nur ~ne Art von Naturgesetzen. Mit der Frage nach Naturgesetz
arten verbindet sich aber die Frage nach Eigenschaftsarten der
Dinge, da diese Eigenschaftsarten ja selbst naturgesetzlich gegründet sind
und ihre Klarlegung auch die Gesetzesarten zu verfolgen möglich macht.
Auch in diesem zweiten Umkreis der Untersuchung wissen wir uns in der
Fortsetzung jüngster logischer Erkenntnisse, wie sie besonders in der Be
griffslehre Bruno Bauchs und in der Lehre von den Dingen als "Indivi
dualgesetzen" bei Hans Co r n e I i u s niedergelegt sind. Die Frage nach den
Eigenschaftsarten läßt sich aber nicht lösen, ohne daß die Frage nach
Strukturarten der Dinge aufgehellt ist. Denn von dem Umfassenden
des Gefüges, in dem die Eigenschaft steht, erhält sie erst ihren Sinn.
Eine umfassende Darstellung der Naturgesetzarten, ihrer Verbindungen
zu Eigenschaftsarten und ihres Aufbauens von Gefügearten der Dinge
setzt ein entwickeltes System der Naturlogik voraus. Das soll und kann
VI Vorwort
in diesen Voruntersuchungen nicht gegeben werden. Andererseits bereitet
ein Eindringen in unseren Problemkreis ein solches System vor. So arbeiten
wir hier an Voruntersuchungen sowohl zur Beantwortung der genannten
Fragen als auch zum System der Naturlogik.
Diese Vorstudien bestehen aus drei Teilen, von denen die hier vorliegende
Schrift den ersten enthält. In ihm finden die Umkreise der beiden ersten
Fragen eine vorbereitende Übersicht. Wir werden dabei zu den Atomen
als den grundlegenden Eigenschaftsgefügen geführt. Den Atomen wird das
letzte Kapitel des ersten Teiles gewidmet sein.
Nachdem der erste Teil so "resolutiv" zu den Letztbestandteilen vor
gedrungen ist, solten die beiden anderen Teile "kompositiv" den Aufbau
der Strukturen verfolgen. Der zweite Teil soll, um das hier schon anzu
deuten, die anorganischen Strukturen auf ihren logischen Gehalt unter
suchen. Hier wird, so weit das heute möglich ist, auf den Aufbau des
chemischen Atoms, des Moleküls, des Kristalls, aber auch etwa der Gas
menge, des Haufens einzugehen sein. Der dritte Teil wird mit der organi
schen Struktur abschließen. In der Biologie ist im Kampf für und wider
den Darwinismus und in der Vererbungslehre schon viel Arbeit über Eigen
schaftsarten geleistet worden, wie man sich in den im Verzeichnis ge
nannten Schriften von Valentin H ä c k er und Ludwig PI a t e überzeugen
kann. Und durch Hans Driesch ist die Frage nach der Struktur des Or
ganismus wieder zu einem logischen Hauptproblem geworden.
Bei der Untersuchung dieser Gegenstände wollen wir Logik treiben.
Das heißt nach der einen Seite hin: Wir wollen nicht die Erkenntnistheorie
weiterführen. Vielmehr sind Ergebnisse der Erkenntnistheorie voraus
gesetzt und zwar die der Philosophie Kants und der objektiv eingestellten
neukantischen Philosophie. Wo wir kurz auf Erkenntnistheoretisches zu
sprechen kommen, sollen deshalb damit nicht schon entscheidende Be
gründungen gegeben werden. Vielmehr nehmen diese kurzen Erwägungen
ihr Gewicht schon von der vorausgesetzten Kritik der Erkenntnis. Freilich
scheint uns in der behandelten logischen Schicht Zusammenarbeit mit
anderen erkenntnistheoretischen Richtungen durchaus möglich, wenn man
~ich gegenseitig Mühe gibt, die Sprache des anderen zu verstehen.
Bei der Untersuchung unserer Gegenstände wollen wir Logik treiben:
Das heißt nach der anderen Seite hin: Wir wollen nicht theoretische Physik
oder theoretische Chemie oder theoretische Biologie treiben. Vielmehr
sind auch von diesen schon Ergebnisse vorausgesetzt. Wir wollen nicht
diesen Wissenschaften neue Ergebnisse einfügen, sondern Ergebnisse von
ihnen von einer anderen Ebene aus, nämlich der logischen, zum Objekt
machen. Um die logische Struktur dieser Objekte zu bezeichnen sind wir
teilweise gezwungen, filr sie andere Ausdrücke anzuwenden, als sie in jenen
Vorwort VII
Disziplinen üblich sind. Aber so, wie zwischen den einzelnen Richtungen
der Philosophie, so braucht auch zwischen Philosophie und Einzelwissen
schaften die notwendige Sprachverschiedenheit nicht zu Sprachverwirrung
zu führen.
Die Beispiele aus den Naturwissenschaften habe ich, wenn es mir mög
lich schien, so gewählt, daß sie von der Schulphysik oder Schulchemie zu
gänglich waren. Freilich war das nicht immer möglich; besonders nicht
auf dem Gebiet der Atomlehre. Eine erste Einführung in dies Gebiet
geben u. a. die Schriften von Auerbach, Herz, Grätz, Mie, eine erste
mathematische Einführung das Werk von Arnold Eu c k e n, grundlegend
sind die Schriften von Niels Bohr und das Werk Sommerfelds.
INHALT
Seite
I. Das Problem . . . . .
II. Das Naturgesetz und seine Arten 15
II I. Ding und Eigenschaftsarten . 62
IV. Die Atome . . . . 82
Literaturverzeichnis . . . . 107
I. DAS PROBLEM
Die Naturwissenschaften gehen aus auf Gesetze. Dieser Satz bedarf
nach der Entwicklung der Naturwissenschaften in den letzten 400 Jahren
und der neueren Logik1) keiner besonderen Begründung mehr. Das Gesetz,
das in der Naturforschung aufgedeckt wird, ist ein Allgemeines gegen
über den besonderen Fällen, die sich diesem Gesetz gemäß verhalten. Wenn
der Chemiker ein bestimmtes Stückehen Natrium auf Wasser wirft, um
sein Verhalten zu Wasser zu prüfen, will er nachher nicht bloß sagen kön
nen: Ich hatte einmal ein Stückehen Natrium, das sich so und so zu Wasser
verhielt. Er will erkennen, wie sichdas Natrium, also jedes Stück Natrium,
zu Wasser verhält.
Das, was dem Allgemeinen des Naturgesetzes "gegenüber" steht, ist das
Besondere, dieser besondere Eisenstab, an dem etwa die Ausdehnung
beim Erwärmen untersucht wird, dieses besondere Natriumstückehen mit
seiner eigentümlichen Form, mit den eigentümlichen Bahnen, die gerade
es auf derWasseroberfläche hin und her fährt usw. Für die vorwissenschaft
liche Auffassung, an der wir mit unserer Problemstellung ansetzen können,
ist nun dies Besondere das Ding. Der Eisenstab, das Natriumstückehen
sind Dinge. Freilich werden wir sehen, welcher Umwandlung die vor
wissenschaftliche Dingauffassung noch bedarf, um zu einer wissenschaft
lich gültigen zu werden.
Doch sind hier zwei Arten von Besonderem zu unterscheiden. Es gibt
einmal die Besonderung eines Gesetzes, die an einem Ding statt hat. Wir
bezeichnen sie als Fa II dieses Gesetzes. Wenn ein besonderer Körper sich
eine besondere schiefe Ebene hinabbewegt, dann treten in die Gleichungen
für die Bewegung auf der schiefen Ebene ganz bestimmte Werte ein. Die
Gesetzes-Gleichung setzt die Endgeschwindigkeit v gleich der Quadrat
wurzel aus dem doppelten Produkt von Erdbeschleunigung und Höhe der
Y2gh.
schlefen Ebene: v = h ist ein allgemeiner Wert, insofern er die un
zähligen verschiedenen Höhen bezeichnet, welche alle nur möglichen
schiefen Ebenen in der Natur und im Laboratorium haben und haben
können. Diesem allgemeinen h gegenüber stellt der Einzelwert h = 50
1) Vgl. die am Ende angegebenen Schriften von Cassirer, Cohen, Bauch,
Liebmann, Natorp, Rickert, Windelband.
8 o m m er 5 heim, Ding und Gesetz