Table Of ContentKai Brauer
Bowling together
Kai Brauer
Bowling
together
Clan, Clique, Community
und die Strukturprinzipien
des Sozialkapitals
I
VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
lugl. Dissertation, Freie Universitat Berlin, 2003
1. Auflage November 2005
Aile Rechte vorbehalten
© VS Verlag fOr Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005
Lektorat: Monika MOlhausen I Bettina Endres
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Umschlaggestaltung: KOnkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Umschlagbild: Kai Brauer
ISBN-13: 978-3-531-14307-1 e-ISBN-13: 978-3-322-80594-2
001: 10.1007/978-3-322-80594-2
Inhaltsfibersicht
Vorwort .......................................................................................................................... . 9
I Einleitung .............................................................................................................................. . 13
II Gemeindesoziologie und community studies .................. .. 19
1. Einleitung: Was sind community studies? ........... . 19
2. Explorationen sozialer Strukturen: Fallbeispiele 21
3. Community studies als empiriegeleitete Theoriesynthese . 40
III Clanton, Iowa. Eine Gemeindestudie ........... .................... ..................... 45
1. Einleitender Zugang: Besichtigung einer Farm Town ohne Farmen . 45
2. Methodischer Zugang: Suche nach einer Gemeinde .......... 49
3. Historischer Zugang: Suche nach den Anfangen ........ 95
4. Familiengeschichtlicher Zugang: Verwandtschaftsstrukturen & Clans 111
5. Gemeindesoziologischer Zugang: Die Farmkrise und das CIiquenphanomen 147
IV Fallrekonstruktion Kenneth McCoin: Ein Farmer in "Troubled Times" 205
1. "Always busy": Interviewsituation zwischen BUro und Panoramafenster 207
2. "And those were very hard times ": Farm-und Familie im Interviewanfang 209
3. ,,1 was born in a rural community --- 1931 ": Analyse objektiver Daten ... 226
4. "Escapedfrom the Crisis ": Biographische Strukturen ............................. 236
5. Community als stabilisierender RUckhalt und Individualisierungsagentur... 251
V Sozialkapital und Strukturen des zivilen Engagements ................................ 255
1. Einleitung .............................................................................. ................................ 255
2. Definitionen und Dimensionen des Sozialkapitals " 257
3. Gemeinschaftlichkeit und Modernitat ..................... 271
4. Tranlin: Sozialkapital im Gesellschaftvergleich 288
5. Fazit: Zur Struktur des Sozialkapitals .................... . 297
Literatur. 311
Anhang ....... 335
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .......................... . 9
Einleitung ......................................................................... . 13
II Gemeindesoziologie und community studies ............... ...................................... 19
1. Einleitung: Was sind community studies? .................. .................. 19
2. Explorationen sozialer Strukturen: Fallbeispiele typischer community studies 21
2.1 "Belleville": Exploration der Grenzen einer Gemeinde und der Gemeindebegriff ..... 21
2.2 "Chicago studies": Akademisierung der Exploration sozialer Fragen ...... 23
2.3 "Middletowns": Die ,,holistische" Exploration sozialer Verhaltnisse ......................... 27
2.4 "Yankee Cities": Exploration mehrdimensionaler sozialer Differenzierungen .......... 30
2.5 "Regional Cities": Exploration lokaler Machtverhaltnisse ............ 32
2.6 "Winston Parvas": Explorationen zur (Des-)Integration """""""""""""""'''' 35
2.7 ,,Amoskeags": Explorationen Familien & intergenerationellen Beziehungen . 38
3. Community studies als empiriegeleitete Theoriesynthese . . . 40
3.1 Abgrenzungen ..................................... ................ ...................... 40
3.2 Kriterien .................. ......................... ................. 41
3.3 Chancen '"'''''''''' .................. ........................... 42
III Clanton, Iowa. Eine Gemeindestudie ............... ..................... 45
1. Einleitender Zugang: Besichtigung einer Farm Town ohne Farmen .................. 45
2. Methodischer Zugang: Suche nach einer "durchschnittlich-einzigartigen" Gemeinde 49
2.1 Annaherung an die Region und Priirnissen der Auswahl .................................. ..... 49
2.2 Bestimmung der GroBe, der Art & der ethnischen Zusammensetzung der Gemeinde 51
2.2.1 OrtsgroBen ................................ .. ................ 51
2.2.2 Besiedlungsformen ................. ... ... ............. 53
2.2.3 ReferenzmaBstabe ........................................... .................. 54
2.2.4 Lage ............................................................................. .................................................... 55
2.2.5 Ethnische Zusammensetzung.... ...................................... ....... 55
2.3 Sozialstatistische Parameter: Clanton als Wohnort der Pensionare ... 57
2.3.1 AItersstruktur ................................. """""'.................... ................... ........ 57
2.3.2 HaushaIts-und Familienstruktur ........................................................................ "". 58
2.3.3 Einkommens-und Erwerbsstruktur .... ............... 59
2.3.4 Wirtschaftsstruktur und Entwicklung seit der Farmkrise 61
2.3.5 Bildungsstruktur ...................................... "."."." ... ".".""."" .................. 63
2.4 Kontaktaufnahme und Feldzugang ....................................... 65
2.4.1 Ausgangspunkt ISU Family Research Center .. .................. ...... 65
2.4.2 Informationspunkt Extension ...................................................................... 66
2.4.3 Beobachtung: Ein Arbeitstag des Veterinars .......................... """ ... ""."". 68
2.4.4 Aufnahmepunkt Lutheran Church ................................ ....... ........................ ....... 81
2.4.5 Zeitpunkt Forschungsbeginn: Fragen aus vergleichender Perspektive . 86
2.5 Forschungsmethoden ................. ......................... 89
2.5.1 Quartier und Zeitrahmen .................. 89
2.5.2 Sekundardaten ....................... ....................... .............................. 91
2.5.3 Interviews .......................................... 92
2.5.4 Beobachtungsprotokolle und Tagebiicher 93
3. Historischer Zugang: Suche nach den Anfangen ..... 95
3.1 Von der Eisenbahnstation zur farm town .......................................... 95
3.2 Germans & Yankees in Midwest: Migranten -Siedler - Unternehmer ...... """."". 97
3.3 Congregations, Churches & Ethnical Conflicts ....... .. ........................................ 102
3.4 Kaiserklub & Liberty Bonds: Indizien ethnischer Konflikte ...... ..................... 105
3.5 AusbJick: Alltagskulturelle StrukturierungsJinien ... ...................... 110
4. Familiengeschichtlicher Zugang: Verwandtschaft & modeme Clans...... III
4.1 Pioniere Clantons: August Koette und die Kettenrnigration ............. 111
4.2 Wie aus deutschen K1einbauern ein loka1er Unternehmerc1an wird 114
4.2.1 Uisung von hofzentrierten Familien-und Wirtschafsstrukturen ......... 114
4.2.2 Banken in Clanton (1881-1933) und der "internationa1e" Eierhandel...... 115
4.2.3 Netzwerkstruktur und Synergieeffekte im Clan ......................... .. .................. 117
4.2.4 Strategische Kollektivierung der Unternehmen in der Farmer's Coop . 120
Inhaltsverzeichnis 7
4.2.5 Koettes Funeral Home und die Clanmacht heute .................................................... 121
4.3 Verwandtschaftsstrukturen in der Genogrammanalyse .................................................... 123
4.3.1 Dimensionen des Nachfahrennetzes im Genogramm .............................................. 123
4.3.2 Migrationsstrategie, personliche Karrierezeit und lokale Boomphase ................. 124
4.3.3 Optionenvielfalt im Clan ............................................................................................... 127
4.4 Die Praxis des Clans: Family reunions und Altenarbeit in Clanton ............................... 130
4.4.1 Beobachtung der Koette Reunion im Altenheim Clanton ..................................... 130
4.4.2 Funktion und Bedeutung der family reunions ftir Familie und Gemeinde ......... 133
4.4.3 Clanpflege zwischen Tradition und Individualitat .................................................. 135
4.5 Clan als Verwandtschaftsstruktur und -konstruktion ...................................................... 137
4.5.1 Begriffliche Abgrenzung .............................................................................................. 137
4.5.2 Clanstrukturelle Kennzeichen von Verwandtschaftsbeziehungen ......................... 137
4.5.3 Konstruktionen des Clans durch die reunion ............................................................ 140
4.5.4 Clanintegration und lokale Macht ............................................................................... 142
4.5.5 Die Bedeutung des Clans fUr die Gemeinde und die Modemitat der Clans ........ 144
5. Gemeindesoziologis~~er Zugang: Die Farmkrise und das Cliquenphanomen .... 147
5.1 Einleitung: Lokale Okonomie und Beziehungsstrukturen .............................................. 147
5.2 Lokale Okonomie im Wandel ............................................................................................... 148
5.2.1 Uberblick tiber abwandemde Untemehmen ............................................................ 148
5.2.2 Auflosung , traditionelIer' Handwerke und Geschafte ............................................ 152
5.2.3 Folgen der Spezialisierung und Zentralisierung vor der Farmkrise ..................... 153
5.2.4 Entwicklung in Folge der Farmkrise .......................................................................... 154
5.2.5 Fusionen und Muster des Wandels ............................................................................. 156
5.3 Lokale private Untemehmen .................................................................................................. 158
5.3.1 Uberblick tiber die lokale Okonomie nach der Farmkrise .................................... 158
5.3.2 Die kleinen Untemehmen der farmnahen Wirtschaft & Neugrundungen .......... 160
5.3.3 "Survivors" der Farmkrise und deren Einbettung ................................................... 161
5.3.4 Die Vielfalt der Serviceuntemehmen ........................................................................ 164
5.4 Funktion und Struktur der Gemeinschaftsuntemehmen .................................................. 167
5.4.1 Freizeit in kommunalen Einrichtungen: Schwimmbad und Golfplatz ................ 167
5.4.2 Sozialisation und Unabhangigkeit: "Clanton High" und der School Board ...... 168
5.4.3 Konkurrenz in und zwischen den drei Kirchengemeinden .................................. 169
5.4.4 Integration im AItenheimprojekt: The Clanton Care Center (CCC) .................. 172
5.4.5 Charakeristika und Relevanz der Gemeinschaftsuntemehmen ............................ 177
5.5 Feste, Freizeit und Freundschaftsnetzwerke ..................................................................... 182
5.5. I Clanton als Partytown: Individualisierung in gemeinschaftlichen Kontexten ... 183
5.5.2 Freizeit als Cliquenaktivitat: Bowling together ....................................................... 185
5.5.3 Cliquen als enge Netze: Begriffsdefinition .............................................................. 192
5.5.4 Cliquen als latente soziale Strukturen ....................................................................... 196
5.5.5 Biographische Perspektiven in kollektiven Kontexten .......................................... J9 9
IV Fallrekonstruktion Kenneth McCoin: Ein Farmer in "Troubled Times" .... 205
l. "Always busy": Interviewsituation zwischen Bliro und Panoramafenster ........... 207
2. "And those were very hard times ": Farm-und Familie im Interviewanfang ...... 209
2.1 Herkunft und Jugend: "So ---I was raised there (on a very goodfarm)" ................... 209
2.2 Phase der Erwerbstatigkeit: "then I started my own farm operation" ........................ 215
2.3 Krise der Farm: "And interest skyrocketed (. .. ) up to 21%. That does not work" .... 216
2.4 Verlust der Farm: "I lost the farm and 1 knew 1 was going to have to move " .............. 220
2.5 Familiare Bruche und Farmkontinuitat: "The same place all those years " .................. 223
3. ,,1 was born in a rural community --- 1931": Analyse objektiver Daten ............ 226
3. I Zusammenfassung der Familien-und Farmgeschichte der Familie McCoin .............. 226
3.2 Die Entwicklung der Familie nach dem Farmverlust ....................................................... 232
3.3 Lebenszeit und Gesellschaftszeit ......................................................................................... 234
4. "Escapedfrom the Crisis ": Biographische Strukturen ............................................... 236
4. J Traditionelle Stabilitatsorientierungen ............................................................................... 236
4.2 Stabilitat durch Netzwerke und Mobilitat ......................................................................... 238
4.3 Intergenerationelle Beziehungen: " ... not much to do with my dad after that" .......... 240
4.4 Individualisierung als Suche nach altemativen Handlungsspielraumen ....................... 245
4.5 "Socializing" und der Nutzen entfemter Bekannter ....................................................... 248
5. Community als stabilisierender RtickhaIt und Individualisierungsagentur ........................ 251
8 Inhaltsverzeichnis
V Sozialkapital und Strukturen des zivilen Engagements ...................................... 255
1. Einleitung ...................................................................................................................................... 255
2. Defmitionen und Dimensionen des Sozialkapitals ........................................................ 257
2.1 Sozialkapital in der Diskussion ............................................................................................ 257
2.2 Institutionalisiertes Bowling ................................................................................................. 258
2.3 Einsame Bowler? ..................................................................................................................... 262
2.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Sozialkapitalansatze ...................................... 263
2.5 Enge Netzwerke oder Vereinsmitgliedschaften? .............................................................. 264
2.6 Niedergang des Sozialkapitals und Modernisierung ........................................................ 268
3. Gemeinschaftlichkeit und Modemitat ................................................................................ 271
3.1 Uberleitung: Putnams Fragen und alternative Zugange ................................................... 271
3.2 Beziehungen in Gemeinden und Status ............................................................................. 272
3.3 Engagement zwischen Vergemeinschaftung und Individualisierung ........................... 275
3.4 Rekapitulation: Netzwerke in communities als Basis des Sozialkapitals? ................... 279
3.5 Engagement in Ivanhoe .......................................................................................................... 280
3.6 Netzwerke im Fall "Colombo" ............................................................................................. 283
3.7 Paternalismus in Kannapolis ................................................................................................. 285
4 Tranlin: Sozialkapital im Gesellschaftvergleich .......................................................... 288
4.1 Schwierigkeiten des Vergleichs ........................................................................................... 288
4.2 Tranlin vor und nach der Vereinigung ................................................................................ 289
4.3 Engagement in Tranlin und Dorfentwicklungsprojekte ................................................... 290
4.4 Beteiligungschancen im Vergleich ...................................................................................... 292
4.5 Netzwerke vor und nach der Vereinigung in Tranlin ...................................................... 293
5. Fazit: Zur Struktur des Sozialkapitals ................................................................................ 297
5.1 Einleitung: Modernitat ziviler Vergemeinschafiungsformen .......................................... 297
5.2 Die Strukturprinzipien der Gemeinschaften des zivilen Engagements .......................... 297
5.3 Reichweite der Prinzipien ...................................................................................................... 303
5.4 Freiwilliges Engagement als selbstreferentielles System? .............................................. 304
5.5 Ausblick: Prestige als Code ................................................................................................... 306
Literatur ....................................................................................................................................... 311
Anhang .......................................................................................................................................... 335
Tabellen
Tabelle I: Einwohner in Siedlungen nach OrtsgroBenklassen in Iowa ................................ 52
Tabelle 2: Angaben zu "Rasse" fUr Iowa ................................................................................... 55
Tabelle 3: Altersverteilung ........................................................................................................... 57
Tabelle 4: Haushalts-und Familienstrukturen ......................................................................... 58
Tabelle 5: Einkommen ................................................................................................................... 59
Tabelle 6: Erwerbstatigkeit ....... ............ ... ... ......... ............................... ... .................... ......... ......... 60
Tabelle 7: Einzelhandelsunternehmen und Umsatze in Clanton (1971-1994) ................... 61
Tabelle 8: Beschaftigung in Clanton ............................................ ......... ....... ............................... 63
Tabelle 10: Bildungsstatus .............................................................................................................. 65
Tabelle 11: Koettes Kettenmigration und geschaftliche Beziehungen ...... ............ ................. 114
Tabelle 12: Geschiiftsaufgaben .......................................... ............................................................ 151
Tabelle 13: Angebote der Lokalen Okonomie (1998) ............................................................... 158
Tabelle 14: Biographische Daten Kennth McCoin .................................................................... 227
Tabelle 15: Sozialkapital als Medium moderner Zivilgesellschaften ..................................... 309
Tabelle 16: Auflistung der Interviewten ..................................................................................... 335
Vorwort
"Das Mer alles so; von da oben bis da hinten!" Mit diesen Worten und einer spezi
fischen Geste, namlich einer weitgefUhrten halbkreisfOrmigen Armbewegung, um
zeichnet Gunter Reichert das Familieneigentum. Man gewinnt dabei den Eindruck,
Herr Reichert denkt, ihm gehOre die hal be Welt bzw. das, was man davon yom
Bauernhaus bis zum Horizont ubersehen kann. Er beschreibt mit einem stolzen
Ausdruck aber nicht einen Erwerb, irgendein kaufliches Gut, nein, er prasentiert
damit zum einen ein Stuck seines Selbstverstandnisses und zum anderen einen Teil
der Gemeinde, in der er lebt. Als Gunter Reichert, breitbeinig vor uns aufgebaut,
den Hof seiner Schwiegereltern vorftihrt, ist gerade "die DDR zu Ende", wie viele
zu dieser Zeit sagten. Es ist der Tag der "Wiedervereinigung Deutschlands", der 3.
Oktober 1990.
Bilder wie die Geste Reicherts oder die Geschichte der Bauernwitwe, die unter
Tranen erzahlt, wie ihr Mann im Zuge der Kollektivierung inhaftiert wurde und
spater in der Haft starb, sowie die Dorffeier am Abend vorher, bei der ein Teil der
Dorfjugend vor unserer Videokamera urn Mitternacht zu den Radioklangen der nun
offiziellen neuen alten deutschen Hymne den HitlergruB ubte, haben mich erschiit
tert und aufgewuhlt. Wir aile waren damals von den immensen politischen und so
zialen Veranderungen dieser Zeit elektrisiert, sturzten uns Hals uber Kopf und mit
(aus heutiger Sicht geradezu ubereifrigem) Elan in das Soziologiestudium, in die
Hochschulpolitik und nun auch in dieses Projekt.
Beeindruckt war ich spater bei der Analysearbeit von einem Phanomen, das im
dorflichen Alltag , Bauernstolz' genannt wird. Wurde trotz aller Hoffnungen und
Freude tiber das Ende des Realsozialismus die Lebensperspektive vieler nun unsi
cher und zeichneten sich mit dem Ende der LPG auch schon die ersten sozialen
Harten deutlich ab, waren die Bauern als Landbesitzer von einem ganz spezifi
schen Gedanken beseelt. Sie konnten endlich wieder ganz offen von "ihrem Land"
sprechen, es zuruckfordern. Einige wollten es der LPG auch richtig "heimzahlen".
Einen groBen Teil dieses Themenkomplexes habe ich in meiner Diplomarbeit be
handelt. Eine ganze Reihe von Vortragen und Aufsatzen haben wir als Forscher
gruppe publiziert, zwei weitere Diplomarbeiten und eine Auftragsarbeit fUr die En
quetekommission zur Aufarbeitung der Geschichte der SED-Diktatur entstanden in
der Folgezeit.
"Das alles hier ringsherum war mal unser Familienbesitz ". Knapp sechs Jahre
nach der oben beschriebenen Begegnung stehe ich wieder an einem Feldrand, lasse
mir wieder mit einer weiten halbkreisfdrmigen Armbewegung ein stattliches StUck
Land zeigen. Allerdings ist derjenige, der mir dies zeigt, keineswegs zukunftsfroh.
Es handelt sich nicht urn einen aktuellen Zugewinn, sondern das Gegenteil. Kenny
hat sich verspekuliert, hat den Familienbesitz, den sein Vater mtihevoll kultiviert
hatte, den er und sein Schwiegersohn dann ebenso mtihevoll vergroBert und mo
dernisiert hatten, an die Glaubigerbanken verloren. Das spielt sich aber nicht mehr
in Mecklenburg ab, sondern in Clanton, Iowa, dem Ort, der hier vorgestellt wird.
Der Zugang zu Untersuchungsort und -thema wurde uber einen Kontakt von
Martin Kohli zu Glen Elder geebnet, der mich an Rand Congers Familiy Research
Center an der Iowa State University in Ames vermittelte. Die Studien von Glen EI
der und Rand Conger zu landlichen Familien in der Farmkrise gaben die ersten Im
pulse fUr mein Projekt. Ohne ihre praktische Hilfe, entscheidenden Hinweise und
Kontakte hatte ich die Studie in Iowa nicht durchfUhren konnen.
10 Vorwort
Die Studie ist durch ein Stipendium des Graduiertenkollegs "Gesellschaftsver
gleich in historischer, soziologischer und ethnologischer Perspektive" ermoglicht
worden. Neben meinen Betreuern Martin Kohli und Wolfgang Zapf, bei denen ich
mich hier ausdrOcklich bedanke, haben mich im Kolleg explizit Georg Elwert und
Armin Triebel immer wieder zu einer zOgigen Fertigstellung der Arbeit angetrie
ben. Dass sich die Abgabe dann doch so lange verzogert hat, lag nicht an dem Kol
leg, sondern vor all em an personlichen Umstanden und notwendigen Neuori
entierungen.
Meine Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Martin
Kohli hat diese Arbeit in jeder Hinsicht bereichert. Allerdings haben die Aufgaben
in der Lehre und vor allem der Selbstorganisation des Institutes meine Zeit- und
Kraftreserven voll ausgeschOpft. Zudem versuchte ich, durch die Organisation der
Diskussionsgruppe "Community Studies" Gesprachspartner zu finden, die Erfah
rungen mit der von mir angewandten Methode haben. Dort und bei weiteren Ta
gungen und Kongressen habe ich Zwischenergebnisse meiner Analyse vorgestellt
und diskutiert. All dies war sehr zeitaufwendig, und hat mich dazu gebracht, die
eigentliche Textarbeit immer wieder zurOckzustellen. All denen, die mich Ober die
se lange Zeit aufvieWiltige Weise unterstutzen, sei hiermit gedankt.
In den letzten Jahren war es vor allem Harald KOnemund, der einen Lowenan
teil der erforderlichen Arbeiten Obernommen hat und mir somit wahrend der enor
men UmbrOche hier am Institut die notwendige Konzentration auf meine Studien
ermoglichte. Er hat viele Seiten der Manuskriptfassungen gelesen und diese kri
tisch und detailliert bearbeitet. Damit war Martin Kohli aber nicht von seinem Teil
der Betreuung entlastet. Mein besonderer Dank gilt somit ihm, der meine Finanzie
rung energisch unterstutzte, immer einen Arbeits- und Diskussionszusammenhang
zwischen den vielen unterschiedlichen Projekten der Forschungsgruppe herstellte
und somit die Arbeit in der vorliegenden Form erst ermoglicht hat.
Geholfen haben mir aber noch mehr Personen. Zu Beginn hatte mir Monika
Wohlrab-Sahr (wahrend der Zeit der Raumknappheit am IfS) Asyl gewahrt. Weil
ich ihr voll ausgestattetes BOro nutzen durfte, konnte ich mich sofort in die Arbeit
stOrzen. DafOr und fOr ihre methodischen und inhaltlichen Vorschlage mochte ich
mich ausdrOcklich bedanken. Meine Kommilitonen im Kolleg, vor all em Gotz
Bachmann, Susanne Brandstatter und Andrea Behrends haben durch ihre Lesear
beit und Kritik einen wichtigen Beitrag geleistet. Wir haben gegenseitig unsere
Kapitel rezensiert und damit das Kolleg zu dem intensiven Arbeitskontext ge
macht, wozu es ursprOnglich eingerichtet wurde.
Anregungen zur Arbeit gaben auch die ehemaligen Mitglieder der Forschungs
gruppe Altern und Lebenslauf, vor allem GOnter Burkart und JOrgen Wolf sowie
die zu Vertretungsprofessuren bei uns tatigen Heinz Bude, Lutz Leisering, Rein
hold Sackmann und Ursula Streckeisen. AuBerhalb des Berliner Instituts haben mit
ihrer Kenntnis und ihren Ideen Bruno Hildenbrand, Heide Inhetveen, Jens Beckert
und nicht zuletzt Helmut Berking und Sighard Neckel meine Arbeit bereichert.
Wolfram Fischer und Gabriele Rosenthal haben mir die Technik der Fallrekon
struktionen beigebracht. Ein besonders herzlicher Dank geht an Kornelia Sammet,
die bei der Fertigstellung geholfen, und dabei entscheidende inhaltliche Hinweise
gegeben hat. Wichtige Anmerkungen gemacht und grobe Fehler gefunden hat Cor
dia Schlegelmilch, die somit an der vorliegenden Buchfassung mitarbeitete. Ein
ausdrOcklicher Dank geht auch an Werner Gessner von der International Bowling
Academie in Regensburg, der mir viele hilfreiche Informationen gab und seine
Spezialliteratur borgte. NatOrlich muss ich mich auch bei Andreas Willisch bedan
ken, auch wenn die Oberaus produktive Zusammenarbeit im Tranlinprojekt leider
keine Fortsetzung erfuhr. FOr die unerlasslichen praktischen Hilfen bei der Endfas
sung bedanke ich mich bei Siegrun Brauer, Gunda Jakoby, Anne-Catherine Kuffer,
Jorg LOdicke, Simone Scherger, Heike Schimkat, Carola Sommer und Maja Zwick.